Ausgabe: N° 2/24
Das Magazin widmet der Studienrichtung Fashion & Technology zehn Seiten und präsentiert innovative Ansätze der Stofferzeugung in der Zukunft der Mode.
Textauszug:
Im fünften Stock einer ehemaligen Tabakfabrik arbeiten Studierende zwischen Messbechern und Mixern an der Zukunft der Mode. Es sieht nicht aus wie in einem Hörsaal, sondern eher wie in einer modernen Großküche: Auf Edelstahltischen stehen Kochtöpfe, Waagen und Petrischalen. Hier wird an sogenannten bio materials geforscht, also Stoffen, die aus natürlichen Zutaten wie Algen erzeugt werden.
Durch die Fenster blickt man auf rauchende Schornsteine und graue Industriebauten bis zum Horizont. In der Nachkriegszeit taufte man Linz die Stahlstadt. Das Bild verändert sich. Seit 2014 ist Linz City of Media Arts, eine Auszeichnung der Unesco für zukunftsorientierte Städte. Die Kunst-Uni Linz bietet hier seitdem einen Studiengang an, der in Europa nahezu einmalig ist: Fashion and Technology. Das Bachelor- und Masterprogramm verbindet Modedesign mit Techniken aus der Biochemie, 3-D-Simulation, Robotik und künstlicher Intelligenz. Was nach Science-Fiction klingt, ist für die etwa achtzig Studierenden greifbar.
Eine von ihnen ist Sandra Axinte, 32. An einem Dienstag im Dezember streift sie sich weiße Einmalhandschuhe über und öffnet den Reißverschluss der Plane eines Brutschranks. Ein sßuerlicher Geruch durchdringt den Raum. Sandra holt ein Glas heraus und hät es ins Licht. Ein heller Klops schwimmt in einer trüben Flüssigkeit. Das ist die Ur-Mutter, ein Kombucha-Pilz, sagt sie. Den habe ich von einem Freund bekommen, der daraus das Getränk herstellt. Sie züchtet damit pflanzliches Leder.
Ihr Pilz ist eigentlich kein Pilz, sondern ein kleines Ökosystem aus Hefe, Bakterien und Cellulose. Im Grunde ist das wie ein fermentierter Tee, sagt Sandra. Ihr Kombucha-Pilz vermehrt sich laufend: Sie schneidet ein Stück davon ab, füttert ihn in einer Wanne mit Tee und Zucker und wartet, dass er in die neue Form wächst. Sandra zeigt auf eine Holzplatte: Das Stück habe ich gerade geerntet. Die dicke Scheibe erinnert an rohes Fleisch: sabschig und weich. Sie hat es mit Wasser und Handseife abgewaschen. Wenn es getrocknet ist, wird sie es mit Bienenwachs oder Öl bestreichen und kann dann Kleidung daraus nähen oder zusammenkleben. Für ihre Bachelorarbeit mit dem Titel Culinary Turn entstand so zum Beispiel eine Weste. Ich stelle mir vor, dass wir alle irgendwann Kleidung in der Küche kochen, sagt Sandra. In der Mode könnte der Kombucha-Pilz, der aus Ostasien stammen soll, eine Revolution sein, er könnte Leder ersetzen. Denn den Pilz kann man einfach züchten und im Gegensatz zu Tierhäuten CO₂-arm erzeugen sowie ohne giftige Chemikalien weiterverarbeiten. Konventionelle Materialien wie Tierleder sind umweltschädlich, sagt Sandra. Ich habe trotz meiner beschränkten Mittel gemerkt: Es wäre so leicht, das zu ändern.
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