Seit Herbst besteht an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz eine Fächer und Disziplinen übergreifende Forschungsplattform, die Forschungsergebnisse und Fragestellungen der Architektur, Kulturwissenschaften, Medienwissenschaften, Medienkünste und Urbanistik bündeln und weiter entwickeln will. Ziel ist, bestehende und neu entstehende Projekte, Studien und künstlerische wie auch wissenschaftliche Arbeitsansätze in ein großes Forschungsvorhaben zu integrieren, das in paradigmatischer Weise auf alle drei Profilsäulen der Kunstuniversität Bezug nimmt – auf Intermedialität, die die Konzentration auf jene künstlerischen, wissenschaftlichen und soziokulturellen Wissenstransfers betreffenden Potenziale bezeichnet, die in den Medien bzw. im Umgang mit ihnen angelegt sind, Raumstrategien, die vor allem die Schnittstelle zwischen den Bereichen Architektur, Design, Stadtplanung und Stadtforschung, Ökologie und Medien markiert, und künstlerisch-wissenschaftliche Forschung, die künstlerische Praxis und wissenschaftliche Forschung, Anwendungsorientierung und freies Gestalten zusammenführt und darüber hinaus nach neuen Formaten der Dokumentation, Analyse und Beschreibung solcher hybrider Forschungsprozesse sucht. Erarbeitet werden daher sowohl theoretische als auch künstlerische Forschungsprojekte und solche Herangehensweisen, die herkömmliche Forschungspraktiken überschreiten, trans- oder interdisziplinär forschen und neue Darstellungsformen finden. Die Ergebnisse der Forschungsplattform sollen einen Beitrag zur Beobachtung, Erfassung, Erforschung, Modellbildung und Repräsentation der zeitgenössischen Stadt und ihrer Medialisierung liefern.
Großstädte, urbane Räume und Architekturen bilden seit Beginn der Filmgeschichte das Gerüst filmischer Narrationen und spektakulärer virtueller Rauminszenierungen. Nachdem schon Soziologie und Literatur der Jahrhundertwende die Stadt als Raum 'konzentrierter Modernität' (Georg Simmel) entworfen und Medizin bzw. Psychiatrie einen Kausalzusammenhang zwischen menschlicher Befindlichkeit, Besiedlungsdichte und Urbanität formuliert hatten, übersetzt das Kino dieses Visualisierungsmodell der Metropolis in einen Handlungsraum, in dem das scheinbar grenzenlose Netz sozialer Beziehungen und Begegnungen zum Ausgangspunkt für melodramatische oder kriminologische Narrationen wird. Architektur, Verkehrs- und Passantenströme, Zeitrhythmus, Bevölkerungsdichte und Massendynamik der Megastädte werden im Anschluss an diese Kinematografierung der Stadt auch zum Gegenstand der Filmwissenschaft in den 1970er und 1980er Jahren, die ausgehend von semiologischen und poststrukturalistischen Theorieansätzen Bezeichnungspraxen und Lesarten des Städtischen in der filmischen Medialisierung untersuchte.
Aktuelle medienwissenschaftliche Theorien des Urbanen gehen heute nach dem spatial turn in den Kulturwissenschaften weit über die ersten Ansätze einer Analyse und Kommentierung filmischer oder medialer Repräsentation von Städten und Städtern/Städterinnen hinaus, indem sie die komplexen Diskursivierungen und Medialisierungen des Urbanen im Kontext der neuen medienindustriellen Dispositive beschreiben und untersuchen. Dabei geraten nicht nur Imaginationen des Suburbanen und Posturbanen in den Blick (wie beispielsweise die Musealisierung und Touristisierung historischer Industrieorte und Metropolen), sondern zunehmend auch mediale Raumpraktiken/spatial practices in der Stadt (wie Geotagging oder Geocaching) sowie Repräsentationen von Stadt und städtischer Kultur in den digitalen und vernetzten Medien. Längst ist unter Rekurs auf Theorien wie Jay David Bolters und Richard Gruisins Konzept der „Remediation“ auch von einer Remediatisierung des Städtischen die Rede. Darunter ist eine Übertragung konventionalisierter Beschreibungen, Visualisierungskonventionen und Nutzungsanwendungen (z.B. Stadtführern und -plänen) in die neuen medialen Ordnungen der Google Maps, mobile Guides oder Soundwalks zu verstehen, die in den letzten Jahren zunehmend in Gebrauch gekommen sind. Mit der Diskussion um das Internet als panoptischem Dispositiv und den neuen vernetzten Kontrollmedien sind zudem auch lokative Medien, also ortsbezogene Medien und Mediennutzungen aller Art, medienwissenschaftlich analysiert und erforscht worden.
Ausgewiesene aktuelle Forschungsschwerpunkte sind:
Forschungsteam
Univ.Prof. Karin Bruns (Medientheorien)
Schwerpunkte in der Forschung sind: Theorien der Medien (mit Schwerpunkt digitale und Online Medien), Theorien des Formats, partizipative und mobile Medienformate und Nutzungen, Strategien informeller Information insbesondere in Online Medien), Medien und Gender. Zu den neueren Veröffentlichungen zählen der „Reader Neue Medien“ (2009, zus. mit R. Reichert) und diverse Veröffentlichungen zu den Formaten Blog, Fanzine, E-Zine, Videosharing Plattform und Computerspiel. Im Kontext der Forschungsplattform werden mediale Nutzungen und Bezeichnungspraxen im öffentlichen und städtischen Raum (wie Geocaching, Flash Mobbing etc.) wie auch Dynamiken informeller Kommunikation (Gerücht, Urban Legend) mit Bezug auf urbane und posturbane Räume und Zonen erforscht und analysiert. Die Abteilung Medientheorien ist in Lehre und Forschung eng mit den künstlerischen und gestaltenden Studiengängen verbunden und darüber hinaus an dem wissenschaftlichen Masterprogramm Medienkultur- und Kunsttheorien beteiligt.
Univ.Prof. Sabine Pollak (Architektur/Urbanistik)
mehr