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Michael Fesca

Groove als Episteme

Beginn des PhD-Programms / Start of the PhD-Program: WS 2015 Betreuung / Supervision:
Karin Harrasser Niemand lacht rückwärts lautet ein Buchtitel von Katrin Röggla, der einen unmöglichen rhythmischen Akzent in unsere Aktualität “postet” und das Potential hat, einen “Groove” zu entfesseln.
Groove als Episteme (AT) untersucht die Genese von Aufmerksamkeit, Bedeutung und Wissen, von Feelings und Verdichtungen, durch das richtigen Timing. Praktiken des Groove bilden bis heute, so die untersuchungsleitende Frage, auch außerhalb der Musik, das Vorbild für ein Konzept von Synchronisation (van Eikels). Sind in der musikalischen Struktur damit rhythmische Patterns gemeint, so bezeichneten mit to get in the groove afro-amerikanischer Musiker Anfang der 1930er Jahre ihr besonders gelungenes musikalisches Zusammenspiel (Pfleiderer 2006, Widmaier 2004). Dieser Jazzslang übertrug sich späterhin allgemein auf positiv erlebte gemeinschaftliche Zustände. Groove umgeht semiotische Strukturen und deren semantische Bedeutung, um stattdessen über affektive Stimmungen Relevanz für die Beteiligten zu erzeugen.
Verfolgt man solchen Praktiken außerhalb der Musik, ist das zu Grunde liegende Konzept von Rhythmus sehr unpräzise (Brüstle, Ghattas, Risi 2005). Rhythmus ist in der europäisch geprägten Musik vorwiegend eine nur in der Schriftlichkeit analysierbare Struktur, der Takt und Metrum eine Ordnung zuweisen. Die Arbeit greift daher auf einen erweiterten Rhythmusbegriff zurück, der nicht durch Regelmäßigkeit, sondern von Erwartung und Ereignis konstituiert wird (Hasty 1997). Bewegung, Tanz (Kusser, Klein), Pause, Passivität (Gronau, Lagaay), queer temporalities (Freeman, Halberstam), Bruch, Kontrast (Moten) und Affekt (Angerer) bringen durch qualitative Verschiebungen und Ereignisse Rhythmen hervor, die quantitative Zeitteilung nur als Sonderfall erscheinen lassen. Es gilt Groove als bisher unberücksichtigten Teil eines Dispositivs der Affekte (Angerer) zu analysieren, in dem über Norm und Abweichung verhandelt wird.
Die performativen Praktiken des Groove sind im europäischen Raum eine Aneignung afro-amerikanischer Kultur. Sie verkörpern das Andere und Exotische, das zunächst vom Eigenen unterschieden wird, um dann begehrt zu werden. Ausgehend vom Phänomen dieser emphatischen Anziehung ist der transkulturelle Austausch und Aneignungsprozess zu beleuchten (Moten, Baraka). So verbindet sich die weiße widerständige linke Gegenkultur in den 1960er und 70er Jahren selbstverständlich afroamerikanophil mit populärkulturellen Produkten aus Mode und Pop, um sich damit von der aufklärerischen Moderne westlicher Gesellschaften abzusetzen (Ege 2007). Ist das ein "Konsum des Schwarzseins" (bell hooks)?
Ausgehend von einer Sichtung der Quellenlage und vorhandener einschlägiger Voruntersuchungen, unternimmt die Arbeit eine Historisierung der Begriffe und des Forschungsgegenstands, so wie eine Situierung ihrer Forschungsperspektive. Darauf aufbauend folgt sie einem praxeologischen Ansatz, der die sinnliche Erfahrung und spekulativen Settings künstlerischer Forschung einbezieht. Kurz-Biographie / Short Bio
Michael Fesca erarbeitet Installationen, Performances, Texte und Ausstellungen zu anti-hegemonialen Zeitlichkeiten und ihren somatischen Dimensionen. Dabei untersucht er Phänomene des Cool-Inflationären, des Aus-dem-Takt-Kommens und des (Zu-)Lange-Brauchens. Projekte: (Sich) Eingrooven – Schmuggeln (seit 2018 mit A. Bromley Sophie Lembcke), Excess and Austerity (2017 mit An Paenhusen, Imke Kannegießer u.a.), Redemption Jokes (nGbK Berlin: 2015, m. u.a. A. Bromley, S. Husse), FXPO! (Fondazione Forma Milano: 2015, m. A. Bromley und EXPOSED), Therapeutische Allianzen (Kampnagel Hamburg: 2014, m. A. Bromley), Die Irregulären – Ökonomien des Abweichens (nGbK Berlin 2013, m. u.a. A. Bromley, E. Sengezer, O. v. Schubert). Weblink:
www.michaelfesca.de