18. März 2015 Sonnensteinstrasse 11 - 13, 3. Stock
Die BE lädt im Rahmen von "wochateiln" zum Vortag von Dr. phil. Clemens Seyfried.
Mit einem provokanten Statement von Lyotard, die Schule sei „eine Stätte des Misstrauens“, begann Dr. phil. Clemens Seyfried seinen Vortrag. Der dadurch entstehenden Unzufriedenheit unter den SchülerInnen und im Lehrkörper werde, so Seyfried, durch Reformen begegnet, die versuchen würden, alles „ganz neu“ zu machen – geplante Veränderungen treten jedoch nicht ein. Wie also könnte man Lehrerinnen und Lehrer ausbilden, die guten Unterricht bieten, dabei aber auch flexibel sind und auf lange Sicht gesund bleiben?
Als ersten Ansatz zur Curriculum-Gestaltung in der LehrerInnenbildung stellte Seyfried den Begriff der ‚Kompetenzen‘ vor, die sowohl für Bildungs- als auch für Ausbildungsstandards als Referenzrahmen herangezogen werden. Eine Ausbildung dieser Kompetenzen steigert laut dem Vortragenden die Fähigkeiten einer Lehrperson in der Durchführung und Beurteilung von Unterricht sowie in der Teilnahme an der Schulentwicklung und im lebenslangen Lernen. Heutzutage sollten LehrerInnen jedoch in der Lage sein, noch einen Schritt weiter zu gehen.
In erster Linie forderte Seyfried eine Neu-Orientierung vieler Lehrkräfte bezüglich ihrer Bildungsaufgabe. Seyfried zitierte Kersten Reich und meinte, dass Didaktik heute nicht mehr eine „Abbildung … und Rekonstruktion von Wissen“ (Reich 1996, 70f) sein kann, sondern dass Lehrerinnen und Lehrer ihre Schützlinge zu Selbstständigkeit und Emanzipation hinführen sollten. Die Lehrkraft wird somit zur treibenden Kraft hinter einer Selbst- und Mitbestimmung der Jugendlichen, die „in Beziehungen ausgehandelt“ (Reich 1996, 70f) wird. In diesem Sinne forderte Seyfried authentischere Lehrpersonen, welche „die Integrität“ ihrer Schützlinge nie verletzen, sondern auf „vertrauensbildende Maßnahmen“ im Unterricht setzen – noch vor der Vermittlung von Inhalten. Ziel der LehrerInnenbildung muss es also sein, auf diese Aufgabe vorzubereiten.
Doch auch die Lehrperson selbst sollte bei einer Überarbeitung der LehrerInnenbildung berücksichtigt werden, so Seyfried. Immer mehr Lehrerinnen und Lehrer leiden am so genannten Burnout-Syndrom, einem Phänomen, dem man mit präventiven Maßnahmen schon in der Ausbildung begegnen müsse. Im Sinne einer “Salutogenese” für das angehende Lehrpersonal sollten präventive Aufklärung und Training in das Curriculum integriert werden. Damit LehrerInnen im Beruf gesund bleiben, müssen vor allen Dingen folgende Bedingungen gegeben sein: ihr Betätigungsfeld muss für die PädagogInnen „verstehbar, handhabbar und auch bedeutsam” sein. Das heißt, Lehrkräfte müssen ihre Arbeit als bewältigbar und als sinnvoll empfinden. Darüber hinaus sollten die LehrerInnen mit Ressourcen zur Stressbewältigung ausgestattet werden. Zu guter Letzt wüsste der Referent gerne auch Bedürfnisse nach Autonomie und sozialer Einbindung dauerhaft berücksichtigt.
Neben etwa 30 Studierenden lauschten zahlreiche Absolventinnen und Absolventen sowie Mitglieder der Studierendenvertretung und der Curriculumskommission Seyfrieds Ausführungen; nach dem Vortrag entwickelte sich eine angeregte Diskussion.
Dr. phil Clemens Seyfried
Mitglied an der „Internationalen Akademie für Innovative Pädagogik, Psychologie und Ökonomie / Freie Universität Berlin“. Seit 1987 in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung tätig, bis 2013 Leiter des Instituts für Forschung und Entwicklung an der PH Linz. Arbeitsschwerpunkte: Kommunikation im Bildungssektor, Leitung und Mitarbeit an bilateralen und internationalen Forschungs- und Entwicklungsprojekten zur Entwicklung und Steigerung von Kompetenzen bei Lehrerinnen und Lehrern. Arbeit an Lern- und Entwicklungsarrangements für eine neue Schule; Lehraufträge an in- und ausländischen Hochschulen und Universitäten zu Themen der Kompetenzentwicklung, Publikationen u. a. zur Entwicklung von Kompetenzen in pädagogischen Berufen, Interkulturalität, Reflexionskompetenz und Vertrauen als determinierende Variable für den Kompetenzaufbau.
Publikationen (Bücher): Bildung beflügelt: Kongressbericht: Bildung als Entwicklungsprozess (1999) und Auf der Suche nach den Werten: Ansätze und Modelle zur Werbereflexion in der Schule (Hrsg., 2009)