12. März 2025, 18.00 Uhr Kunstuniversität Linz, Hauptplatz 6, 5. OG, Hörsaal C & Online
Antrittsvorlesung von Univ.-Prof.in Dr.in Silke Felber, am Institut für Bildende Kunst und Kulturwissenschaften, Abteilung Kulturwissenschaft unter dem Titel:
Was flüstern die Dinge, sobald wir unseren Augen nicht trauen? Wie lassen sich die Fugen der Zeit ertasten? Und wonach riecht Ungerechtigkeit? In ihrer Antrittsvorlesung lädt Silke Felber dazu ein, Wissensgeschichte nicht nur sinnerfassend, sondern sinneumfassend zu schreiben und zu lesen. Anhand ausgewählter Szenen und Artefakte entfaltet sie die soziokulturellen, ökonomischen, kolonialen, environmentalen und spirituellen Dynamiken, die die Produktion und Zirkulation von (Un-) Wissen prägen – und setzt dabei vor allem die Nase als epistemologisches Instrument ein.
Silke Felber ist seit Oktober 2024 Professorin für Wissensgeschichte / Wissen der Sinne an der Kunstuniversität Linz. Die habilitierte Theater- und Kulturwissenschafterin forschte und lehrte zuvor an der Universität Wien, der University of Oxford, der Ghent University, der Universität Bern, der Universität Graz und der mdw. Zuletzt vertrat sie eine Professur für Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin.
An der Kunstuniversität Linz leitet sie das ERC Consolidator-Projekt OLFAC, das den Einsatz von Gerüchen in künstlerischen, polizeilichen und militärischen Kontexten untersucht und sich grundlegenden Fragen zur gesellschaftspolitischen Wirkmacht des Geruchs(-sinns) widmet. Silke Felber über erste Details zu ihrem mit rund 1,7 Millionen Euro dotierten Projekt, das u. a. die Gewalt von Gestank erforscht:
Ihr interdisziplinäres Team an der Kunstuniversität Linz analysiert u. a. den Einsatz von Gerüchen in polizeilichen und militärischen Kontexten.
Welche Kampfstoffe gibt es da?
Silke Felber: Die Rüstungsforschung arbeitet seit Jahren an der Entwicklung stark riechender Substanzen, die darauf abzielen, Demonstrierende zu zerstreuen oder Plünderungen entgegenzuwirken. Ein Beispiel ist die Substanz „Skunk Water“, die über Wasserwerfer distribuiert wird und auf Haut und Gegenständen einen bestialischen Gestank hinterlässt, der sich wochenlang nicht abwaschen lässt.
Wo wird Skunk eingesetzt?
Silke Felber: Bisher in unterschiedlichen Teilen der Welt – etwa in Israel gegen palästinensische, aber auch ultraorthodoxe jüdische Demonstrant*innen, oder partiell auch in den USA. Fakt ist: Bei Skunk bleiben keine sichtbaren Versehrungen zurück. Das führt dazu, dass der oftmals missbräuchliche Einsatz dieser Substanz schwer dokumentierbar ist.
Warum ist es wichtig, sich die Bedeutung von Duft und Gestank bewusst zu machen?
Silke Felber: Jedes Duftmolekül, das wir durch die Nase aufnehmen, wird beim Einatmen direkt im Erinnerungszentrum gespeichert – und die Emotion, die wir dabei empfinden, zugleich mit verankert. Neuropsychologische Forschungen zeigen, dass Gerüche stärkere affektive Reaktionen hervorrufen können als visuelle oder akustische Reize. Das macht Geruch nicht nur gefährlich, sondern auch zu einem interessanten Material für künstlerische Interventionen.
Wo kommt das im künstlerischen Kontext zum Tragen?
Silke Felber: Grundsätzlich gibt es kaum Kunst, die sich im Rezeptions- oder Produktionsprozess nicht auch auf olfaktorischer Ebene bemerkbar macht. Während installative Arbeiten von Alanna Lynch, Sissel Tolaas, Peter de Cupere oder Anicka Yi unter dem Label Olfactory Art firmieren, warten andere künstlerische Interventionen noch darauf, über den (Um-)Weg der Nase analysiert zu werden. Das gilt z. B. für kanonisierte Arbeiten der Feminist Art oder des Wiener Aktionismus. Besonders interessieren uns im Projekt OLFAC aktuelle artivistische Positionen wie jene der Trans-Aktivist*innengruppe Pissed Off Trannies. Im Fokus stehen zudem Arbeiten, die jenseits der euroamerikanischen Kunstblase entstehen und die Auswirkungen von Kolonialismus und Extraktivismus riechbar machen. Hierzu forschen zwei der am Projekt beteiligten Postdoktorandinnen – die Tanzwissenschafterin Julia Ostwald und die Theaterwissenschafterin und Sinologin Freda Fiala.
Teilnahme vor Ort
Wir bitten um Anmeldung bis 7. März 2025 unter veranstaltungen@kunstuni-linz.at
Teilnahme Online
Hier geht's zum Live Stream