4. bis 6. Juni 2021 FLUT, Freiluftuniversität der Kunstuniv. Linz, Urfahraner Marktgelände
der Abteilung Medientheorien / Kunstuniversität Linz
Die Entschleunigung tauchte als Gegenkultur und Protestform mit der Erdölkrise, den autofreien Sonntagen und dem ersten Bericht des Club of Rome um 1973 auf. Seitdem hat jedes Jahrzehnt die Langsamkeit für sich neu entdeckt. Die achtziger Jahre begegnen dem Fastfood mit Slow Food, den sterbenden Industrien mit ersten Debatten zum bedingungslosen Grundeinkommen. Die neunziger Jahre suchten die Langsamkeit im Imperativ der Nachhaltigkeit. Die Zweitausender beerdigen die Concorde mit Flugscham und degrowth. Auf jede Beschleunigung folgt ein Slowdown, jede Globalisierung findet ihr Bloomsbury.
Fast 50 Jahre lang konnten wir träumen, in den Wäldern zu leben: dem Kapitalismus durch Eigenzeit, Achtsamkeit und Langsamkeit von der Schippe zu springen. Man schlug sein Zelt neben Thoreaus Blockhütte auf und schien der Zivilisation entkommen. Die Entschleunigung war Teil einer alternativen Lebensform: eine politische und ökonomische Entscheidung. Die Pandemie hat dagegen den Stillstand über Nacht im Weltmaßstab durchgespielt. Überall ist Walden Pond: Eremiten soweit das Bildschirmauge reicht. Seitdem wir nun über ein Jahr in den Wohnzimmern leben, jeder auf seiner Insel, doch nur durch eine Zimmerwand vom Nachbarstrand entfernt, ist der Rückzug keine Option des Widerstands mehr. Während Thoreaus gleichnamiger Eremit mit Birken und Eichhörnchen sprach, auf den Gast wartet, der nie kam – »I took exactly the same number of steps, and of the same length…« – treffen wir auf unseren Bildschirmen zahllose Gäste. Die digitalen Prothesen der Vernetzung, Zoom, Webex, MS Teams…, haben den Stillstand globalisiert und die Gesichter in jeder Blockhütte blass blau erleuchtet. Seit mehr als einem Jahr hält die Welt den Atem an und filmt sich live dabei. Was bleibt also vom Leben in den Wäldern? Auf die Post könne man verzichten, die Nachrichten ignorieren. Thoreaus Eremit will das Leben nicht verschwenden: »I went to the woods because I wished to live deliberately«. Der gegenwärtige Stillstand geht indes nicht mit einer vollständigen Isolation und Entnetzung einher, sondern mit noch radikaleren Formen der Vernetzung. Die Globalisierung des Stillstands wird die Gegenkulturen der Entschleunigung, ihre Protestund Ausdrucksformen, umschreiben und verändern. Was kommt also nach dem Leben in den Wäldern?
Die Taktfrequenz ist heruntergefahren, der Schlafmodus aktiviert. Standby, elf Monate. Zwischen Stillstand und Beschleunigung leben wir in einer Zwischenzeit. Weder wachend noch schlafend warten wir, dass die Welt auf ON springt. Zwischen dem 4. und 6. Juni 2021 soll an verteilten Orten nach den Erzählungen, Bildern, Kulturen, Nebenwirkungen und Selbsttechniken des Stillstands gefragt werden. Was gab es für Formen des aktiven Stillstands, in welchen Kontexten sind sie entstanden, haben sie die Sicht auf die Arbeit, auf Nachbar*innen und Minderheiten, die Einstellungen zu Mobilität und Globalisierung nachhaltig verändert? Dass die Welt auf ON springt diskutiert in Kunst, Literatur und Wissenschaft heterogene Formen der Langsamkeit, Protestformen der langen Weile. Dabei soll dem gegenwärtigen Stillstand der Pläne und Gewissheiten mit neuen Erzählungen geantwortet werden: Wie könnte oder sollte die Welt nach dem globalen Stillstand aussehen? Welche Utopien treten an die Stelle der Entschleunigung – welche Orte warten hinter den Wäldern? Welche Wände müssen wir einreißen, welche Wälder verlassen, dass der Stillstand endet – die Welt auf ON springt?
gloria.meynen@ufg.at, Abt. für Medientheorien / Institut für Medien
Die Zahl der Gäste vor Ort ist wegen der gültigen Corona-Verordnung leider beschränkt.
Registrierung:
Bitte ein E-mail mit dem Betreff: REGISTRIERUNG // Symposium »Utopien« an Maren.Mayer-Schwieger@ufg.at senden.
Erforderliche Angaben: Name, Emailadresse, Telefon, Datum und Programmpunktitel.
Die Kunstuniversität Linz ist verpflichtet, die Daten bis 14 Tage nach der Veranstaltung zu speichern, sie werden anschließend vernichtet. Während der Veranstaltung gilt FFP2-Maskenpflicht, die Abstands- sowie die 3G-Regelung (= Nachweis der Impfung, eines PCR-/Antigentests oder der Genesung).
Anmeldung zum Livestream bitte mit dem Betreff »auf on« an mkkt-blog@ufg.at senden!
Freitag, den 4. Juni 2021
14.00 bis 15.30 Uhr
Dino-Henne-Ei <Lecture Performance, dt.>
Julia Grillmayr, Christina Gruber
FLUT, Freiluftuniversität, Kunstuniversität Linz, Urfahraner Marktgelände
16.00 bis 17.30 Uhr
Utopien nach dem Stillstand – Stillstand der Utopien? <Keynote, dt.>
Thomas Macho
FLUT, Freiluftuniversität, Kunstuniversität Linz, Urfahraner Marktgelände
Samstag, den 5. Juni 2021
13.30 bis 14.15 Uhr
A Conversation on the Way. On Words and Sounds <eng.>
and Thoughts in A K Dolven's Public Art
A K Dolven im Gespräch mit Gaby Hartel
FLUT, Freiluftuniversität, Kunstuniversität Linz, Urfahraner Marktgelände
15.00 bis 16.30 Uhr
Focus and Echo - on Art and Sound in Public Spaces <eng.>
Richard Sennett im Gespräch mit Gaby Hartel
FLUT, Freiluftuniversität, Kunstuniversität Linz, Urfahraner Marktgelände
Sonntag, den 6. Juni 2021
13.00 bis 14.30 Uhr
Isolated Soundscapes: The Ear and the Speaker <Gespräch, dt.>
Adam Merki, Julian Umhaller, Enrique Tomás & Echo Ho
FLUT, Freiluftuniversität, Kunstuniversität Linz, Urfahraner Marktgelände
14.45 bis 16.00 Uhr
Andere Wälder <Gespräch & Video, dt.&eng.>
Barbara Marcel, Maren Mayer-Schwieger
FLUT, Freiluftuniversität, Kunstuniversität Linz, Urfahraner Marktgelände
16.30 bis 17.15 Uhr
Nach dem Stillstand <Gespräch, dt.>
Gaby Hartel, Gloria Meynen
FLUT, Freiluftuniversität, Kunstuniversität Linz, Urfahraner Marktgelände