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MITTEILUNG

STAY IN TOUCH 16

stay-in-touch geht in eine neue Runde

Stay in touch ist eine Kollaboration der Kunstuniversität Linz, Abteilung Kulturwissenschaft mit dem Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK), der Zeitschrift für Kulturwissenschaften, dem ilinx-Magazin und weiteren Partnerinstitutionen.

Es wird eine Bibliothek von Texten zusammengestellt, die dabei unterstützen, einen solidarischen und informierten Umgang mit der Pandemie zu finden. Es werden klassische und aktuelle Texte aus 2500 Jahren kommentiert und zur Verfügung gestellt.

stay-in-touch.org

Diese Woche:

 

1981 – Chinin: Die Medizin des »weißen« Mannes (Kolonialismus und Epidemien I)

Daniel R. Headricks »The Tools of Empire« wiedergelesen

Von Markus Arnold

Folgt man der Berichterstattung der Medien, scheint es, als ob jede Epidemie sich ohne Probleme weltweit als Pandemie verbreiten könnte, wobei heute angesichts der globalen Mobilität der Menschen die Bedingungen hierfür gegeben zu sein scheinen. Dennoch können die meisten Epidemien nicht so leicht geographische Grenzen überspringen. Ebola ist zum Beispiel bis jetzt auf einige Gebiete in Afrika beschränkt und erst aufgrund des Klimawandels befürchtet man, dass die Malaria sich in den nächsten Jahrzehnten zusammen mit der Anopheles-Stechmücke nach Norden ausbreiten und auch in Europa, wo die Krankheit in der Vergangenheit lokal im Umkreis von Sumpfgebieten bereits einmal heimisch war, sich wieder festsetzen könnte.

Jedoch ist auch das Immunsystem des Menschen an bestimmte Orte gebunden, indem es sich – meist erst über mehrere Generationen hinweg – an die örtlich üblichen Viren und Bakterien adaptiert. In andere Länder reisen, andere Kontinente besuchen, kann daher ohne zusätzliche Schutzimpfungen tödlich enden. Dies war auch eine der bitteren Lehren der ersten Globalisierung, dem europäischen Kolonialismus im 19. Jahrhundert, als der »weiße Mann« sich aufmachte, die Welt zu erobern.

Daniel R. Headrick hat sich in seinem Buch The Tools of Empire: Technology and European Imperialism in the Nineteenth Century daher auch der Frage nach der Rolle von Epidemien in der politischen Weltgeschichte gewidmet: Wie wichtig waren etwa medizinische Erfindungen, wie insbesondere neue Behandlungsmethoden gegen Epidemien, bei der Kolonialisierung Afrikas und Asiens?

Wobei der Technikhistoriker Headrick in seinem Buch nicht nur die Rolle der Medizin untersucht. Sein Fokus liegt ganz allgemein auf all jenen Technologien »that played the most crucial role, either by making imperialism possible where it was otherwise unlikely, or by making it suitably cost-effective in the eyes of budget-minded governments.« (ibid., 12) Zu dieser Gruppe der wichtigsten Technologien zählt er auch die im 19. Jahrhundert neu entwickelten medizinischen Behandlungsmethoden gegen die gerade für die europäischen Händler, Soldaten und Forschungsreisenden tödlichen Krankheiten.

Um zu verstehen, welche Rolle die Medizin laut Headrick im Kolonialismus spielte, ist es wichtig, mit ihm drei Phasen der erfolgreichen Kolonialisierung eines fremden Territoriums zu unterscheiden:

»The imperialism of Europe in Asia and Africa involved a number of stages before the goal of pacified colonies eventually was reached. Though these occurred at different times and in different ways depending on the region, we can classify these stages roughly as follows. The initial stage was that of penetration and exploration by the first European travelers. Then came the conquest of the indigenous people and the imposition of European rule on them. Finally, before the colony could become valuable as an adjunct to a European economy, a communications and transportation network had to be forged. […] In the penetration phase, steamers and the prophylactic use of quinine were the key technologies. The second phase – that of conquest – depended heavily on rapid-firing rifles and machine guns. In the phase of consolidation, the links that tied the colonies to Europe and promoted their economic exploitation included steamship lines, the Suez Canal, the submarine telegraph cables, and the colonial railroads.« (ibid., 11f.)

Es mag überraschen, medizinische Behandlungsmethoden mit Chinin (quinine) zusammen mit Kanonenbooten und Maschinengewehren als Instrumente der kolonialen Herrschaft aufgelistet zu finden. Wie Headrick im Einzelnen argumentiert, wird uns noch beschäftigen. Denn um die Relevanz seiner Thesen in der Debatte um die Erklärung historischer Ereignisse besser nachvollziehen zu können, sollte man sich den Kontext von Headricks Buch vergegenwärtigen.

Der theoretische Rahmen: Motive und technologische Mittel
Daniel R. Headrick ging es in seinem Buch um Grundsätzliches: um nicht weniger als die Frage, welche Kausalitäten in der Erklärung historischer Ereignisse herangezogen werden sollen. Konkret, welche Ursachen zur Erklärung des europäischen Kolonialismus herangezogen werden können. Der Diskussionsstand im Feld der Imperialismus-Forschung am Beginn der 1980er Jahre, den er mit seinem Buch überwinden wollte, wird von ihm daher gleich zu Beginn kritisch zusammengefasst:

»Some have emphasized such political motives as international rivalries, naval strategy, the instability of imperial frontiers, the diversion of popular attention from domestic problems, or the influence of pressure groups on political decision makers. Others […] have stressed economic motives: the need for raw materials, secure markets, or investment opportunities. At first sight, these points of view seem to differ markedly. Yet, we are struck by a common underlying element. Participants in the debate [on the causes of nineteenth-century imperialism, M.A.] agree that the crucial factor in the new imperialism was the motivation of the imperialists. What made nineteenth-century politicians, explorers, traders, missionaries, and soldiers want to extend the influence of Europe to hitherto untouched lands? Behind this question lies the tacit assumption that once Europeans wanted to spread their influence, they could readily do so, for they had the means close at hand.« (ibid., 5)

Headricks Ausgangsfrage ist einfach, aber er versucht die Debatte über die gesellschaftliche Rolle der Technologie deutlich zu verschieben: Genügt es, die Motive der Menschen zu studieren (z.B. ihre Gier nach Herrschaft, ihre Suche nach neuen Ressourcen)? Oder entstehen nicht umgekehrt die Motive erst durch die sich den Menschen anbietenden Möglichkeiten, wie etwa auch den Möglichkeiten neuer Technologien? Dahinter steht die Frage, ob Technologien nur Mittel sind, die man findet, wenn man sie braucht; oder ob Technologien entwickelt werden, ohne dass man schon im Vorhinein ihre möglichen Verwendungsweisen kennt und antizipiert. Könnte es sein, dass die Existenz einer neuen Technologie erst den Blick auf neue Handlungsmöglichkeiten eröffnet, an die man zuvor noch keine ernsthaften Gedanken verschwendet hatte? Kurz: Daniel R. Headrick geht es nicht zuletzt um die Frage, welchen Einfluss Technologien auf die Entscheidungen und die Handlungsmöglichkeiten der Menschen nehmen.

Er ist nicht der Einzige, der diesen Perspektivenwechsel vornehmen will. Damals gab es mehrere Forschende, die eine materialistischere Theorie der Geschichte schreiben und hierbei den »Dingen« eine größere Rolle zusprechen wollten. Doch Headrick gehörte mit seinem Buch zu den Ersten. Die Gruppe um Bruno Latour entwickelte etwa ihre Actor-Network Theory (ANT), in denen nicht-menschlichen Entitäten eine eigene Handlungsfähigkeit zugesprochen wurde, erst Jahre später, Mitte der 1980er Jahre.

Headrick ist aber Technikhistoriker. Als solcher entwirft er keine umfassenden Theorien, sondern versucht, mit einem heuristischen Modell kausaler Wechselwirkungen historische Entwicklungen zu analysieren:
»A model of causality in which the technical means are separate from the motives does not imply that the two are unrelated. On the contrary, the appearance of a new technology can trigger or reinforce a motive by making the desired end possible or acceptably inexpensive. For example, quinine prophylaxis allowed Europeans to survive in tropical Africa. Conversely, a motive can occasion a search for appropriate means, as when the American occupation of Cuba brought about the investigation of the causes of yellow fever. The many instances in which we will encounter both types of relationships will serve as reminders that we must steer between two dangerous determinisms: the technological – ›what can be done will be done‹ – and the psychological – ›where there’s a will there’s a way.‹« (ibid., 9f.)

Grundsätzlich kann es daher drei unterschiedliche Szenarien geben, um den Verlauf der Ereignisse zu erklären. Das bedeutet, dass Historiker und Historikerinnen von Fall zu Fall entscheiden müssen, welches dieser Szenarien jeweils am adäquatesten die historischen Fakten beschreibt:
»If we accept the equal necessity of both motives and means, then the new imperialism could have resulted from any of three possible scenarios: Adequate means were available, but new motives triggered the event; sufficient motives existed, but new means came into play, thus leading to the event; or, finally, both the motives and the means changed, and both caused the event. […] It is the third of our scenarios, in which both means and motivations changed and interacted, that best reflects the realities of the European conquest and colonization of the eastern hemisphere during the nineteenth century. It is the purpose of this book to argue this third scenario, by analyzing the technological changes that made imperialism happen, both as they enabled motives to produce events, and as they enhanced the motives themselves.« (ibid., 10f.)

Das tropische Afrika als das »Grab des weißen Mannes«
Laut Headrick gab es viele Motive, warum Afrika lange Zeit nicht im Zentrum europäischer Eroberungswünsche stand: Erstens wollten die europäischen und afrikanischen Sklavenhändler, die sich an den Küsten Afrikas trafen, um ihre Geschäfte abzuwickeln, nicht, dass Außenstehende ihre Geschäfte störten. Zweitens gab es vor dem 19. Jahrhundert kaum Hinweise dafür, dass sich Investitionen in die Kolonialisierung Afrikas ökonomisch lohnen würden. Und drittens waren die Flüsse Afrikas (mit der Ausnahme des Nils in Ägypten) nicht geeignet, um mit Schiffen vom Meer aus ins Landesinnere vorzudringen. Sogar zu Land konnte man Pferde und Esel nicht als Packtiere verwenden:
»Much of Africa is a plateau. Rivers cascade from die highlands to the sea in a series of cataracts. The coasts are lined with mangrove swamps and sandbars. And throughout the tropical regions, pack animals could not survive the nagana or animal trypanosomiasis. Those who wished to enter Africa would have to do so on foot or in dugout canoes.« (ibid., 59)

Daher waren es lange Zeit vor allem christliche Missionare und Abolitionisten, die Versuche unternahmen, in das Landesinnere Afrikas vorzudringen. Doch davon unabhängig gab es vor allem einen Grund, der die Europäer (Männer wie Frauen) abhielt, in Afrika – so wie in Amerika und in Asien – Fuß fassen zu wollen:
»It was disease that kept Europeans out of the interior of Africa. […] In 1485 the Portuguese captain Diogo Cão sent a party of men to explore the Congo River; within a few days so many had died that the mission had to be called off. In 1569, Francisco Barreto led an expedition up the Zambezi valley to establish contact with the kingdom of Monomotapa; 120 miles upriver, the horses and cattle fell victim to trypanosomiasis and the men succumbed to malaria. Henceforth until 1835, Portuguese communications with the Zambezi interior were carried on through African or part African agents. Similarly, in 1777–79, during William Bolts’ expedition at Delagoa Bay, 132 out of 152 Europeans on the journey died. Mungo Park’s 1805 venture to the upper Niger resulted in the death of all the Europeans present.« (ibid., 59f.)

Die Todesrate der europäischen Händler, Soldaten, Missionare und Forschungsreisenden in dieser ihnen völlig fremden Umwelt war abschreckend und förderte in Europa das Bild von Afrika als dem »dunklen Kontinent«, der voller Gefahren und dunkler Geheimnisse ist. Sogar die Versuche europäischer Kolonisatoren zumindest an der afrikanischen Küste Festungen mit einer dauerhaften europäischen Besatzung zu errichten, endeten meist kläglich.

Als im frühen 19. Jahrhundert die britische Regierung den Sklavenhandel zu unterbinden versuchte, stationierte sie ihre Marine und kleinere Armeeeinheiten an der westafrikanischen Küste, um Sklavenschiffe abzufangen. Für die europäischen Soldaten und Offiziere endete dies überdurchschnittlich oft mit dem Tod, ohne dass sie eine Feindberührung hatten:
»Of the 1,843 European soldiers who served in Sierra Leone between 1819 and 1836, 890, or 48.3 percent, died. The worst year was 1825, in which 447 out of 571 (78.3 percent) succumbed to disease. Despite a constant influx of European arrivals, the size of the garrison declined by over a hundred each year. The Gold Coast was just as deadly: Two thirds of the Europeans who landed there in the years 1823-27 never lived to return home; in the year 1824 alone, 221 out of 224 lost their lives. On the whole, 77 percent of the white soldiers sent to West Africa perished, 21 percent became invalids, and only 2 percent were ultimately found fit for future service.« (ibid., 62f.)

Die Sterblichkeitsrate der Europäer im Unterschied zu den Indigenen, die über die Jahrhunderte gegen die Krankheiten eine gewisse Resistenz erworben hatten, war auffallend. Auch die in der Britischen Armee dienenden indischen Soldaten überstanden die in den afrikanischen Garnisonen grassierenden Epidemien besser, da ihr Immunsystem zum Beispiel das auch in Indien verbreitete Gelbfieber bereits kannte:
»Among West Indian soldiers stationed in the same region, the death rate was only one tenth that for whites, though still twice that prevailing in their native lands. During the 1825–26 epidemic in the Gambia which killed 276 out of 399 whites, only one out of 40 or 50 West Indians fell victim to the illness. […] In 1830 the British government recognized the significance of the death rates and stopped sending white troops to West Africa, except for half a dozen sergeants to command the West Indian soldiers.« (ibid., 63)

Auch von den englischen Missionaren überlebten nur wenige: Von 89 Missionaren »who went to West Africa between 1804 and 1825, 54 died and another 14 returned in bad health.« (ibid., 63) Noch deutlicher war der Unterschied zwischen britischen und afrikanischen Soldaten: Denn die Todesrate
»among British troops in West Africa in 1819–36 it was 483 per thousand for enlisted men and 209 for officers. Meanwhile, West African soldiers serving in the British army in the same area suffered a death rate of only 2.5 per thousand.« (ibid., 64)

Die Hauptursache für die vielen Toten war – neben Ruhr, Gelbfieber und Typhus – vor allem eine der im Laufe der Geschichte tödlichsten Krankheiten: die Malaria. Kurz: An eine Herrschaft der »Weißen« in Afrika über die einheimische Bevölkerung war damals nicht zu denken. Daher beschränkte man sich darauf, mit afrikanischen Staaten an der Westküste Handel zu treiben und – etwa mit dem Königreich Benin – Verträge abzuschließen und das Landesinnere eher zu meiden.

Die Todesrate wurde damals vermutlich noch durch die in Europa üblichen, dem Überleben der Erkrankten eher abträglichen medizinischen Behandlungstechniken gesteigert: der Verabreichung von Quecksilber, dem Purgieren (»Säuberung« der Gedärme durch die Verabreichung von Brechmitteln oder die Anwendung von Klistieren) oder dem sogenannten »Ader lassen« (ibid., 65f.). Das änderte sich erst mit der Entwicklung einer neuen medizinischen Behandlungstechnik, als sich die Erkenntnis durchsetzte, dass die (prophylaktische) Einnahme von Chinin die Todesrate der mit Malaria Infizierten entscheidend senken kann.

Die Erkenntnis war nicht ganz neu: Bereits im 17. Jahrhundert hatten spanische Jesuiten von den Einheimischen in Peru gelernt, dass die Rinde des Chinarindenbaums (Cinchona) als Medizin einsetzbar war. Dieses Wissen verbreiteten sie zusammen mit der Rinde in Europa. Doch die Rinde als Arzneimittel hatte mehrere Nachteile, sodass sie in Europa nur sehr begrenzt zum Einsatz kam:
»Cinchona bark, though effective, had a number of drawbacks. Because it came from trees that grew only in the Andes, the supply in Europe was often limited. Making matters worse, what did reach the consumers was not only expensive but often adulterated or deteriorated. Moreover, its Jesuit connection made it suspect among Protestants; Oliver Cromwell, dying of malaria, is said to have refused the ‚popish‘ remedy. It also was useless against yellow fever and a number of other fevers that were then confused in medical theory. And finally, it had an awful taste.« (ibid., 65)

Der medizinische Durchbruch gelang daher erst, nachdem 1820 zwei französische Chemiker, Pierre Joseph Pelletier und Joseph Bienaimé Caventou, erstmals das Alkaloid Chinin aus dem Chinarindenbaum extrahieren konnten, sodass es zwei Jahre später synthetisch hergestellt und 1827 dann auch in genügender Menge industriell produziert werden konnte (ibid., 66). Erst dadurch wurde es möglich, in ersten Feldexperimenten Chininpräparate in größerem Maßstab als Malariamittel zu erproben. Die Ersten waren die Franzosen in Algerien nach ihrer Invasion des Landes im Jahre 1830. Hier war es vor allem ein Armeearzt, François Clément Millot, der die Wirksamkeit des neuen Mittels medizinisch beweisen konnte:
»At the first sign of fever, he prescribed twenty-four to forty grains of quinine immediately […]. He also fed his patients a nutritious diet. The results were most impressive. Only one out of every twenty patients died, compared to two out of seven the year before.« (ibid., 67)

Auch wenn das französische Militär diese Behandlungsmethode nicht sofort übernahm, wurde Millot später als Held der französischen Wissenschaft und des französischen Kolonialismus gefeiert: So wurde er auf dem Wissenschaftskongress in Algier 1881 mit den Worten geehrt: »‚lt is thanks to Maillot that Algeria has become a French land; it is he who closed and sealed forever this tomb of Christians.‘« (ibid., 67)

Es kam zu einem gravierenden Wandel in den Beziehungen Europas zu Afrika. Mit Chinin konnte zumindest die Malaria weitgehend unter Kontrolle gebracht werden. Und obwohl andere tödliche Krankheiten den europäischen Männern und Frauen weiterhin zusetzten, erweiterte die neue Behandlungstechnik die Handlungsmöglichkeiten der Europäer und Europäerinnen in Afrika entscheidend:
»On the whole, the first-year death rates among Europeans in West Africa dropped from 250–750 per 1,000 to 50–100 per 1,000. To be sure, this was still five to ten times higher than the death rates for people in the same age bracket in Europe. Africa remained hostile to the health of Europeans.« (ibid., 70)

Oder wie Headrick den Wandel der europäischen Wahrnehmung zusammenfasste: »No longer was tropical Africa the ›white man’s grave‹.« (ibid., 70)

Mit dieser neuen medizinischen Technologie konnte die erste Phase der Erforschung des Landesinneren (»penetration and exploration by the first European travelers«) eröffnet und erfolgreich abgeschlossen werden. Auf dieser Grundlage konnte dann die zweite Phase der Unterwerfung (»phase of conquest«) mithilfe von Maschinengewehren und Schnellfeuerwaffen bewältigt werden, um schließlich die dritte Phase der Sicherung der kolonialen Herrschaft (»the phase of consolidation«) einleiten zu können: die für die europäischen Mächte so wichtige ökonomische Ausbeutung des Kontinents mithilfe von Dampfschiffen, des Sueskanals, der Unterwassertelegrafenkabel und der Eisenbahn. Erst in dieser letzten Phase konnte Afrika von Europa aufgeteilt und die so entstandenen Kolonien mithilfe europäischer Technologien beherrscht und für Europa ökonomisch nutzbar gemacht werden. Voraussetzung blieb aber die industrielle Herstellung und prophylaktische (und akute) Behandlung mit Chinin, um den europäischen Familien ein Leben in den afrikanischen und asiatischen Kolonien zu ermöglichen.

Dennoch kam es mit Ausnahme der Südspitze Afrikas, wo die Buren sich ansiedelten, in Afrika im Gegensatz zu Amerika nie zu einem Siedlerkolonialismus, der es Europa erlaubte hätte, seine gesamte Lebensweise nach Afrika zu exportieren und so die indigene Bevölkerung auszurotten oder zumindest in abgelegene Landesteile zurückzudrängen. Insbesondere das tropische Klima, aber auch das aride Klima der afrikanischen Wüsten, eignete sich nicht für das, was Alfred W. Crosby »Ökologischen Imperialismus« genannt hat [LINK], der in anderen, klimatisch milderen Teilen der Welt die »biologische Expansion Europas« ermöglicht hatte, welche den europäischen Siedlern und Siedlerinnen die endgültige Inbesitznahme und Kolonisierung der anderen Kontinente erlaubte.

Ich danke Karin Harrasser und Nicola Condoleo für ihre hilfreichen Kommentare und Anmerkungen zu dem Text.

Literatur:
Daniel R. Headrick (1981): The Tools of Empire. Technology and European Imperialism in the Nineteenth Century. New York, Oxford: Oxford University Press