Visuelle Kultur, Kunst und Gender-Politiken
Tagung am 10. 01.08, 15.00-18.30 Uhr, und 11.01.08, 10.00-19.00 Uhr
Abteilung Kunstgeschichte und Kunsttheorie / Gender Studies
Institut für Bildende Kunst und Kulturwissenschaften
Kunstuniversität Linz
Kollegiumgasse 2 / Audimax
Do. 10. Jänner, 15.00 - 18.30 Uhr
Begrüßung, Einführung (Barbara Paul, Johanna Schaffer)
Sushila Mesquita: „Liebe ist…„ Visuelle Strategien im Zusammenhang mit dem Schweizer Partnerschaftsgesetz.
Renate Lorenz: Art History is straight. Vito Acconci is straight. Weglassen, Nicht-Verstehen und Evidenz-Verzicht als Mittel queerer Politiken.
Fr. 11. Jänner, 10.00 - 13.00 Uhr
Antke Engel: How to Do Things with Images? Queer Things? Queer Images? How to Queer Things with Images?
Claudia Reiche: Tanja Ostojic’ Black Square on White. Von der Mehrlust zum Ekel und zurück.
Fr. 11. Jänner, 15.00 - 19.00 Uhr
Josch Hoenes: "Du bist das Beste von beiden Welten [...] Du gehörst hier nicht hin". Zerrbilder gegen heteronormative Zweigeschlechtlichkeit.
Susanne Lummerding: Mehr-Genießen: Von nichts kommt etwas. Das Reale, das Politische und die Produktionsbedingungen – Zur Produktivität einer Unmöglichkeit.
Abschlussdiskussion
Konzeption & Organisation: Barbara Paul, Johanna Schaffer
Plakat & Raumkonzept für Tagungsort: Stefanie Seibold
Finanziert aus Mitteln des bm:wf zur Profilbildung der Kunstuniversität Linz im Bereich Gender Studies
Die Tagung beabsichtigt, das kritische und ermöglichende Potential queerer und queer-feministischer Bilder-/Kunstpolitiken zu diskutieren und dabei die Aufmerksamkeit vor allem auf eine Demontage der Regime des Normalen und deren hierarchisierende Effekte zu richten. Wie können queere Bildpolitiken Normalitäts- und Normativitätsdiskurse, die mit sexuellen und vergeschlechtlichten Verhältnissen argumentieren, nachhaltig anfechten, verschieben und umarbeiten? Welche Möglichkeiten haben Kunst und visuelle Kultur im Sinne gender-kritischer Wissensproduktion, um mehr queer politisch-kulturell zu realisieren? Und inwiefern lässt sich unter der Prämisse, dass auch für Kunst und Kultur eine ökonomische Matrix grundlegend ist, ein Mehrwert ‘für queer, mit queer, durch queer’ formulieren?
Diese Fragen betreffen nicht allein das vorhandene und/oder umgearbeitete visuelle Vokabular. Vielmehr hängen sie eng mit realpolitischen Vorstellungen und Ordnungen zusammen. Daher sind auch die vermeintlich unantastbaren Demokratieverständnisse des neoliberalisierten spätkapitalistischen ‚Westens’/’Nordens’ unter queerem Blickwinkel zu diskutieren. Demokratien garantieren zum Beispiel ‚Frauen’ oft mehr Rechte und Teilhabe als früher. Zugleich nehmen sie jedoch damit nicht nur eine Fixierung der Zweigeschlechtlichkeit vor, sondern nutzen diese zur Legitimation vorherrschender hegemonialer Strukturen. Welche radikalpolitischen Perspektiven lassen sich entwickeln, und wie interagieren visuelle Argumentationen mit rechtlichen und politischen Diskursen?
Queer (engl. für schräg, sonderbar, falsch; das negative Bedeutungsfeld des Wortes lässt sich gut mit dem des deutschen Begriffs „pervers“ vergleichen) ist ein ursprünglich homophobes und transphobes Schimpfwort. Im englischen und US-amerikanischen Sprachraum hat der Begriff seit den 1980er Jahren, im deutschen seit Mitte der 1990er Jahre eine Rückaneignung durch die Personen und Kontexte erfahren, die damit abgewertet werden sollen. Heute wird queer zum einen als Begriff der politischen (Selbst-)Bezeichnung und zum anderen in theoretischer/kritischer Arbeit verwendet, um zum Teil und/oder auch programmatisch Widersprüchliches zu bezeichnen: Umgangssprachlich gilt queer zunehmend als Identitätsbezeichnung all jener Leute, deren sexuelle Lebensweisen nicht mit der heterosexuellen Norm übereinstimmen. Als theoretische Denkbewegung argumentiert queer jedoch grundsätzlich identitätskritisch und zielt, ausgehend von Sexualität als gesellschaftliche Analysekategorie und als Raster der Privilegienvergabe, auf die Demontage heteronormativer und identitätslogisch operierender Zwangsregime.
Ablauf und Vorträge
Do. 10.01., 15.00-18.30 Uhr
Begrüßung: Reinhard Kannonier, Rektor Kunstuniversität Linz
Einführung: Barbara Paul, Johanna Schaffer
Sushila Mesquita
Queer-feministisch antirassistisch Forschende und freie Popkulturarbeiterin, Wien/Basel „Liebe ist…“. Visuelle Strategien im Zusammenhang mit dem Schweizer Partnerschaftsgesetz
Das Schweizer Partnerschaftsgesetz, seit 1.1.2007 in Kraft, wurde im Juni 2005 mit einer Mehrheit von 58% von der Bevölkerung angenommen. Der Abstimmung gingen langwierige, teils hitzig geführte inner- wie außerparlamentarische Debatten um die konkrete Verfasstheit des Gesetzes voran. Zudem warben Gegner_Innen wie auch Befürworter_Innen des Partnerschaftsgesetzes u.a. mittels Plakatkampagnen um die Gunst der Bevölkerung. Letztere griffen dabei auf Sujet samt Slogan der weit verbreiteten Cartoon-Reihe „Liebe ist…“ zurück und schrieben gleichgeschlechtliche Paare in diesen bislang streng heteronormativen Bilder-Rahmen ein – allerdings um den Preis einer näher zu betrachtenden diskursiven wie auch visuellen Begrenzung. Ich möchte untersuchen, inwieweit sich der heteronormative Rahmen des Rechts in den visuellen Strategien beider Seiten spiegelt bzw. inwieweit die heteronormativen Grenzen des Rechtes mit denen der Darstellungspraxen korrespondieren.
Renate Lorenz
Wissenschaftlerin, Kuratorin, Künstlerin, Berlin
Art History is straight. Vito Acconci is straight. Weglassen, Nicht-Verstehen und Evidenz-Verzicht als Mittel queerer Politiken
Queere Bild-/ Kunstpolitiken setzen häufig auf eine explizite Abbildung ‚gender-queerer’ Körper, um sexuelle oder geschlechtliche Vereindeutigungen, um den Zusammenhang von Geschlecht und Kapital, um Normalisierung und vermeintliches Wissen zu unterlaufen. In meinem Beitrag möchte ich mich allerdings mit Visualisierungen beschäftigen, die gerade keine Körper abbilden, wie etwa Arbeiten von Felix Gonzales Torres, Zoe Leonard oder von Henrik Olesen, auf den mein Vortragstitel anspielt. Indem ich eine exemplarische Lektüre einiger Arbeiten mithilfe von Begriffen wie ‚Disidentification’, ‚VerUneindeutigung’, ‚Durchquerung’ oder ‚sexuelle Arbeit’ vornehme, möchte ich fragen, ob möglicherweise auch da Körper repräsentiert sind, wo es augenscheinlich nicht der Fall ist. Und: Welche Rolle spielen Sexualität und Begehren in dieser Ökonomie von Verbergen und Hinweisen? Meine These lautet, dass die untersuchten Arbeiten zu einer spezifischen Weise des ‚queerings’ imstande sind, gerade weil es ihnen gelingt, Körper zugleich wegzulassen und zu signifizieren.
Fr. 11.01., 10.00-13.00 Uhr
Antke Engel
Philosophin und Queer Theoretikerin, Berlin
How to Do Things with Images? Queer Things? Queer Images? How to Queer Things with Images?
In Anlehnung an J. L. Austins How to Do Things with Words und dem daraus resultierenden Paradigma der Performativität bzw. der Politik des Performativen möchte ich in meinem Vortrag methodische und methodologische Überlegungen dazu anstellen, was es bedeutet, dass Bilder soziale und politische Produktivität entfalten. Insbesondere geht es mir darum auszuloten, welche Möglichkeiten – queer/feministisch inspirierte – kulturwissenschaftliche Bildlektüren bieten, um Aussagen über soziale Verhältnisse zu machen und Veränderungskraft von Bildern einzuschätzen. Das Postulat „Repräsentation als Intervention“ (Engel 2002) soll methodologisch unterfüttert werden; nicht zuletzt, um der Frage nach dem Mehr(wert) queer hinsichtlich „imaginations- und handlungsgenerierender Bilder“ nachzugehen und um Aussagen über die Art der „Verwobenheit wirtschaftlicher und symbolischer Verhältnisse“ anzustellen.
Claudia Reiche
Medienwissenschaftlerin, Künstlerin, Bremen/Hamburg/Köln
Tanja Ostojic’ Black Square on White. Von der Mehrlust zum Ekel und zurück
Zwischen dem Begriff des Mehrwerts und der Lacan'schen Mehrlust gibt es einen Zusammenhang. Der Verlust des Genießens verschafft dem Subjekt Gewinn an Befriedigungen: Mehrlust. Nichts stabilisiert Subjekte und Gesellschaft wie das Entgleiten des Genießens, als paradoxalem Motor zu immer neuer Konsumption und Mehrlust. Ist queer ein anderer Name für Mehrlust und/oder eine wissenskritische Methode?
Tanja Ostojic’ Black Square on White (2001) war eine Arbeit zur Venedig Biennale, für die Ostojic dem damaligen Kurator exklusiv einen Blick auf ihre Schamhaare auf heller Haut gestattete, die als Quadrat rasiert waren. Der Blick des Kurators fügte das Werk in die Liste der offiziellen Kunstwerke ein und wurde bestätigt durch Ostojic’ öffentliches, vertrautes Erscheinen mit diesem auf der Biennale. Die Arbeit gilt oft als Kritik des kapitalistischen Kunstbetriebs und der Geschlechterverhältnisse. Mein Vortrag stellt methodische Überlegungen an, ob das stimmen kann und inwieweit die Arbeit als queer zu deuten wäre. Dabei wird Abscheu erkenntnisleitend.
Fr. 11.01., 15.00-19.00 Uhr
Josch Hoenes
Wissenschaftler, Queer Worker, Bremen/Oldenburg
„Du bist das Beste von beiden Welten [...] Du gehörst hier nicht hin“. Zerrbilder gegen heteronormative Zweigeschlechtlichkeit
Unter dem Titel "Distortions" versammelt Loren Cameron drei von einer Schrift gerahmte Brustporträts. Die Spannungen, die diese Bildern austragen, können als Repräsentation von Konflikten gelesen werden, die mit dem Projekt der Sichtbarmachung transsexueller Männlichkeit verbunden sind. Insofern die von Cameron produzierten und zitierten Spannungsfelder von Geschlecht – Sexualität und privat – öffentlich Gegenstand gegenwärtiger realpolitischer Debatten um das Transsexuellengesetz (TSG) in Deutschland sind, wird es mir um die Frage gehen, in welcher Weise die Photographien einen Mehrwert produzieren, der für realpolitische Debatten produktiv gemacht werden könnte. Ich werde die Bilder als Reformulierung westlich-moderner Männlichkeit lesen und zur Diskussion stellen, inwiefern sie Vorstellungen von Männlichkeit artikulieren, die einem radikaldemokratischen Verständnis von Geschlecht ein Stück näher kommen als die Brustporträts der vernunftbegabten, männlich-emotionalen Anzugträger gegenwärtiger „echter“ Politik.
Susanne Lummerding
Kunst- und Medienwissenschafterin, Coach/Supervisorin, Wien/Linz
Mehr-Genießen: Von nichts kommt etwas. Das Reale, das Politische und die Produktionsbedingungen – Zur Produktivität einer Unmöglichkeit
Inwieweit lassen sich Warenproduktion und Bedeutungsproduktion als vergleichbare Praktiken verstehen und worin wären die Potentiale und Grenzen des marxistisch-kapitalismuskritischen Begriffs des Mehrwerts für eine antinormative, (neo-)liberalismuskritische queere Repräsentationspraxis zu verorten? Der Assoziation eines Rekurses auf Warenproduktion, Profit und Ausbeutung mit einem Rekurs auf liberale Identitätslogik wäre möglicherweise mit Jacques Lacans Begriff des Genießens als Mehr-Genießen (als Mehrwert an Bedeutung/Lust bzw. als „Überschuss ohne Gebrauchswert“) zu begegnen. Zu prüfen bleibt dabei, um welche Form der Produktion es sich im Kontext des Mehr-Genießens handelt, wie sich ‚Wert’ in diesem Zusammenhang bestimmen ließe und inwieweit sich auf dieser Basis der ökonomische Diskurs als ethischer lesen ließe. Eine queere Repräsentationspraxis wäre in diesem Sinn als eine des Realen zu verstehen, die sich dem kapitalistischen Imperativ der Akkumulation ebenso wie dem Imperativ eines Überichs widersetzen würde, um statt dessen das Gesetz (Genieße!) mit dem Begehren zu konfrontieren.
Abschlussdiskussion
Information:
institut-biku.office@ufg.ac.at
T +43 (0)732 7898 412
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