5. Mai 2015, 18.00 Uhr Audimax der Kunstuniversität Linz
Vortrag von Peter Geimer im Rahmen der Reihe "relatifs".
In jüngster Zeit hat sich eine Form der Beschäftigung mit Geschichte etabliert, die vor allem auf emotionales Nacherleben und Reanimation des Vergangenen setzt: Historische Museen versprechen „Geschichte live“ zu präsentieren, Historienfilme und Dokudramen verfolgen den Anspruch, die Vergangenheit noch einmal erfahrbar zu machen (Nachkolorierung von Schwarz/Weiß-Filmen, Reenactment etc.). Im Unterschied zu solchen Versprechen auf Wiederaneignung und Unmittelbarkeit haben Theoretiker der Geschichte wie Michel Foucault, Michel de Certeau oder Reinhart Koselleck immer wieder an die Grenzen der Rekonstruierbarkeit des Vergangenen erinnert. In diesem Sinne unternimmt der Vortrag - am Beispiel konkreter Fallstudien - eine Kritik der neuen Unmittelbarkeit, versucht aber zugleich auch, den berechtigen Versuch, sich ein Bild der Geschichte zu machen, nicht aufzugeben. Denn: „Ohne Illusion bin ich reduziert auf mein schadhaftes Gebiss“ (Peter Handke).
Peter Geimer
ist Professor für Neuere und Neueste Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin. Zu Geimers Forschungsschwerpunkten gehören die Theorie und Geschichte der Fotografie, die Kunst- und Kulturgeschichte von Dingen und Untotem sowie die Beziehungen zwischen Ästhetik und Wissenschaftsgeschichte. Seine Beschäftigung mit Fotografie („Bilder aus Versehen“) aber auch seine detailreichen Beobachtungen zur Präsenzkultur („Derrida ist nicht zu Hause“) laden dazu ein, Kunst- und Kulturwissenschaft als Wissenschaft des Ephemeren, des Übersehenen, des Nicht-Kanonisierten zu betreiben. Derzeit beschäftigt er sich in einer Kollegforschergruppe mit der Frage nach der Bildevidenz.
Die Veranstaltungsreihe wird ausgerichtet von Karin Harrasser (Kunstuniversität Linz, Kulturwissenschaft), Anne von der Heiden (Kunstuniversität Linz, Kunstgeschichte und Kunsttheorie) und Kepler Salon Linz.
Der Vortrag von Peter Geimer findet in Kooperation mit der Abteilung für Experimentelle Gestaltung statt.