Gloria Meynen
Theorieveranstaltung
Termine N.N. (ufg online)
Mit Kiemen atmen, das Festland ozeanisieren – von wo aus erzählen?
Viele Mediengeschichten beginnen mit der Telegrafie, sie argumentieren mit der Verkabelung der Ozeane, mit der der moderne Medienbegriff entstehe. Mit der Tiefseetelegrafie löse sich der Bote von der Botschaft, schreibt Marshall McLuhan. Eisenbahnen, Kanäle, Straßen und Schiffsrouten seien ab der Mitte des 19. Jahrhunderts allmählich durch die unsichtbare Kommunikation von Radio, Fernsehen und digitale Medien ersetzt worden. Das »elektronische Zeitalter«, das McLuhan in den sechziger Jahren mosaikartig zwischen Radio, Fernsehen und Computer auslotet, entsteht mit den Medien des British Empires: der Überwindung und Trockenlegung der Meere. Von den Fragen zu Oralität und Buchdruck bis zu den Erklärungsmodellen der KI bestimmen häufig koloniale Expansions-, Kontroll- und Herrschaftsnarrationen die Metaphern und Begriffe der Medientheorien, die Räume und Zeiten mit den Technologien und Kulturtechniken des Festlands bereisen. Was passiert, wenn wir Theoriebildung vom Meer aus betreiben? Welche Unterscheidungen und Gewissheiten müssen wir infrage stellen, welche Begriffe verflüssigen, welche Sinne ausbilden, welche neuen Techniken erlernen?
Im Seminar diskutieren wir neuere Ansätze, die das Denken in Abgrenzungen und Differenzen durch Verwandtschaften, Nachbarschaften und fluide Orientierungen ersetzen. Von Theorien des Archipels, der Heterogenität, des Black Atlantics, der anderen Modernen, des Fluiden, Gasförmigen bis zu einer Autobiographie eines Kraken recherchieren und befragen wir zwischen Science, Theorie und Fiction ozeanische Perspektiven: Welche Kritik ermöglichen sie? Können sie helfen, andere, neue Medienbegriffe und Formen der Theoriebildung zu entwickeln?
Das Seminar richtet sich an Studierende der wissenschaftlichen und künstlerischen Programme. Es lädt dazu ein, das feste Land zu verlassen: neue, experimentelle Theorieformen und Schreibweisen einzuüben.