Die Kunst besitzt die Fähigkeit, gesellschaftlichen Zuständen und Veränderungen Ausdruck zu verleihen. Künstlerische Arbeiten geben dem noch Formlosen und noch nicht Darstellbaren eine Gestalt und können dadurch Seismografen sein, die frühzeitig Veränderungen von Lebenswelten erfahrbar und kommunizierbar machen. Insofern ist Kunst, egal ob sie Gegenwärtiges oder sogar Vergangenes thematisiert und egal in welchem Medium sie zum Ausdruck kommt, eine Spekulation über die Gegenwart und mögliche Zukünfte. Aufgrund dieser Schwellenstellung – zwischen Gegenwartswahrnehmung und Zukunftsantizipation – ist jedoch nicht vorhersehbar, welche künstlerische Haltung bedeutsam werden wird. Daher bedarf es an einer Kunstuniversität der Förderung der ganzen Breite möglicher künstlerischer Ansätze und Strategien, damit die Künste des Zukünftigen florieren und zukünftige Künste entstehen können.
Das Entstehen solcher Schwellenwahrnehmungen ist ein nicht planbarer oder vorhersagbarer Prozess; ein Prozess, in dem das Gelingen künstlerischer Kreation die glückliche Ausnahme und das Scheitern der fruchtbare Regelfall ist. Wohl aber können Bedingungen geschaffen werden, in denen sich spekulative, künstlerische Prozesse optimal vollziehen können. Die Voraussetzungen hierfür werden in den kommenden Jahren verbessert werden. Es sollen die Produktionsbedingungen in den Ateliers, Werkstätten, Studios und Laboren ausgebaut und erweitert werden, die Reflexionsfähigkeit durch eine enge Verschränkung mit den Kultur- und Medienwissenschaften gestärkt, die Internationalisierung von Studierenden und Lehrenden vorangetrieben und die Präsenz von Künstler*innen mit möglichst vielfältigen künstlerischen Haltungen ausgebaut werden.
Gleichzeitig werden die Studien- und Organisationsstrukturen so geändert, dass in den Curricula Freiräume für selbstbestimmtes, interdisziplinäres, medienübergreifendes Arbeiten geschaffen werden. Studierende müssen ermutigt und gestärkt werden, individuelle Zugänge zur Kunst zu erproben, um einen individuellen künstlerischen Ausdruck entwickeln zu können.
Auch im Bereich der Pädagog*innenbildung ist die Erfahrung von individuell motivierten, ergebnisoffenen, experimentellen künstlerischen und gestalterischen Prozessen essenziell, weil diese Erfahrung durch die Gestaltungsfächer in die Schule und damit in die Gesellschaft getragen wird.
Die gestalterischen Bereiche der Kunstuniversität zeichnen sich ebenfalls durch projektbasiertes, freies, künstlerisches und experimentelles Arbeiten aus. Der Akt der Gestaltung erfordert hierbei immer neue Methoden und Modelle des Handelns, um Lösungen für zeitgenössische Fragen zu entwickeln und gleichzeitig zukunftsorientiert zu bleiben. Gestaltungsprozesse münden in Antworten, Entwürfen und Lösungsansätzen, die in der Gesellschaft unmittelbar wirksam werden und Gesellschaft verändern können.
Die Kunstuniversität Linz wird sich in den nächsten Jahren noch stärker als Ort der international sichtbaren künstlerischen Produktion und Reflexion positionieren. Sie fokussiert Kunst als Form der kritischen Auseinandersetzung und des radikalen, mutigen und überdisziplinären Neudenkens von Gegenwarts- und Zukunftsfragen. Alle Aktivitäten in Lehre, EEK sowie in der Forschung sind mit der künstlerischen bzw. ge- stalterischen Produktion und deren kritischen Reflexion verbunden.
Die Berufungspolitik der nächsten Jahre wird von diesem künstlerischen Schwerpunkt geprägt sein. Zum einen sollen durch die Erhöhung der Zahl der Professuren und des fest angestellten Mittelbaus Stellen geschaffen werden, die neben der Lehre und in enger Verbindung mit ihr Projekte der EEK, der Gestaltung und der Forschung forcieren. Zum anderen soll durch die Berufung von international gefragten und sichtbaren Künstler*innenpersönlichkeiten dieser Schwerpunkt strategisch gestärkt werden.
Die Lehre an unserer Universität stößt Bildungsprozesse an und bereitet Studierende auf die Mitgestaltung einer sich drastisch ändernden Welt vor. Um permanente Veränderung und Innovation in der Lehre stärker zu etablieren, wird die eigene künstlerische und gestalterische Arbeit (bzw. Forschungstätigkeit) der Lehrenden in den kommenden Jahren in allen Kurien besonders gefördert.
Als Beispiel sei hier die neu zu schaffende Professur für Plastik und Environment genannt. Ebenso neue Felder sollen die Professur für künstlerische Fotografie, die Professur für Grafik (Bildende Kunst), die (Gast-)Professur für Performance, die Professur für Bildende Kunst, die (Gast-)Professur für Kulturen des Ausstellens und kuratorische Praxis, die Professur für Kunst und Gestaltung im Lehramt, die Professur für Kreative Robotik sowie jene für Bildgebende Verfahren zukunftsweisend eröffnen. Die Nachbesetzungen einer Professur im Bereich Medien- kunst sowie zweier Professuren für Bildhauerei – Transmedialer Raum und einer Professur für Malerei sollen diesen deutlich künstlerischen Schwerpunkt zukunftsweisend stärken.