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TALK

Experiment Ribiselmarmelade

Donnerstag, 20.6.2013, 10.00 Uhr Standort Urfahr, Seminarraum Medientheorie, 2. OG

Zum österreichischen Verhältnis von Schubhaft und Nationalstaat

MKKT und Medientheorien laden zum Vortrag von Alexander Jöchl.

„Jeden Tag, den du durch die Straßen gehst, siehst du Polizei, dein Herz schlägt, du fährst in der U-Bahn, dein Herz schlägt, aber den Tag, an dem sie dich erwischen, stellst du dir als das Ende deines Lebens vor.

Als sie mich also zum Gefängnis brachten ... die erste Nacht ... du bist dir nur über eines sicher: vielleicht ist es das Ende deines Lebens, weißt du. Ich war nicht mehr richtig in mir. Denn ich dachte immer, Gefängnis wäre ein Ort für andere, nicht ein Ort für mich. Andere Leute würden vielleicht dort sein, aber ich werde nichts tun, was mich jemals ins Gefängnis bringen würde. Du verstehst, was ich meine: ich dachte, es wäre ein Ort der anderen. Bevor ich selber ins Gefängnis kam, hatte ich immer, wenn ich hörte, jemand war schon mal im Gefängnis, hahaha, irgendwie Angst vor ihm, verstehst du?“ 

„George“, ehemaliger Schubhäftling in Köpenik, Deutschland. Herkunft: Afrika, südlich der Sahara. Es kam zur Festnahme, als er sich selbst bei der Polizei bzw. Ausländerbehörde meldete. Aus: Sind Sie mit der Abschiebung einverstanden?, Karin Kramer Verlag, Berlin, 2002, Hrsg. Projekttutorium Abschiebehaft, Humboldt-Universität zu Berlin, S. 53

Alexander Jöchl
ist Bildender Künstler, Kurator und Absolvent der Kunstuniversität Linz
www.raumschale.com

"Alexander Jöchl beschäftigt sich mit politischen Themen und insbesondere mit geschlossenen Systemen und Machtstrukturen und versucht über eine scheinbar unverfängliche Ebene einen umfassenden Zugang zur Hinterfragung komplexer Themen anzustoßen. So hat er sich mit der jüngsten Vergangenheit und insbesondere der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch mit der Fragen der Repräsentation und mit dem Denkmalbegriff an sich beschäftigt. Die Auseinandersetzung mit der Flucht-Thematik geht auf die Abschlussarbeit an der Kunstuniversität zurück, in der er sich intensiv mit dem Status und dem Stand der Schubhaft in Österreich beschäftigt hat. Ein bewährtes Mittel, um Themen auf einer symbolischen Ebene zu verhandeln, ist die Irritation und die Kontextverschiebung von einzelnen Elementen in ungewöhnliche Zusammenhänge. Unter Verwendung von Ribiselmarmelade – die in der Diskussion um die Sprachabgrenzung schon den Status eines Symbols für das Österreichische erlangt hat -  wurde rund um die im Wesentlichen auf die Zeit des Nationalsozialismus zurückgehende Gesetzesgrundlage die breite Thematik eröffnet. Im Fall der Tiefenuntersuchungen auf der Linzer Landstraße wird die Flucht im übertragenen Sinn zum Ausweg aus einem geschlossenen System. Die Tiefe steht damit für das, was unter der Oberfläche verborgen und versteckt ist oder unsichtbar im Untergrund liegt. Hier wird ein Fluchtweg inszeniert, der seinen Sinn darin begründet, mit tiefer gehenden Fragen zu beginnen." OK Kuratorin Genoveva Rückert

© Alexander Jöchl