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WORKSHOP

EINS GANZ FREI. Konkrete Relationen als Medien der Kunst

1. Juni 2021, 15.00 bis 19.00 Uhr Domgasse 1, Ex-Postmusik sowie Online via Zoom

Sen. Sct. Dr. Sarah Kolb, Abteilung für Kunstgeschichte und Kunsttheorie, lädt zum Workshop mit Hanne Loreck, Guilherme Pires Mata und Jette Gejl Kristensen. Ein Projekt in Kooperation mit der Abteilung für Künstlerische Wissenspraktiken.


Mit seiner »Theorie des Nicht-Objekts« formulierte der brasilianische Schriftsteller und Kunstkritiker Ferreira Gullar 1959 eines der Gründungsmanifeste des Neokonkretismus. Ausgehend von Analysen der Werke zeitgenössischer Künstler*innen wie Lygia Clark oder Amílcar de Castro attestierte er der Kunst die zunehmende Notwendigkeit, die »Evolution des repräsentierten Raums zum realen Raum hin« auch jenseits der Abstraktion weiterzutreiben und die Grenzen zwischen Malerei und Skulptur zugunsten einer Infragestellung jeder Form von Rahmung und Distanz zu transzendieren. Das Nicht-Objekt, das Gullar vorschwebt, ist jedoch keineswegs ein »Anti-Objekt«. Vielmehr zeichnet es sich durch eine Form von Materialität aus, die eine Synthese sensorischer und mentaler Empfindungen ermöglicht. Das Nicht-Objekt ist losgelöst von Bedeutung und Funktionalität, denn es ist konkret, pure Leiblichkeit, reiner Ausdruck, schlichte Gegenwart und Erscheinung – es ist »eins, ganz, frei«.

Ausgehend vom Konzept des Nicht-Objekts begibt sich der Workshop auf eine Spurensuche nach historischen und gegenwärtigen Querverbindungen und Wechselwirkungen zwischen Kunst und Phänomenologie, Psychoanalyse, Post/Strukturalismus und New Materialism, mit denen ein Raum der Relationen greifbar wird, die gerade nicht als Metaphern oder Abstraktionen gedacht, sondern vielmehr als konkrete Medien der Kunst zu begreifen sind. Im zunehmenden Fokus auf topologische Denk- und Wissensmodelle und prozessuale, performative und partizipative Verfahren in der Kunst seit 1960 schreibt sich jenes Prinzip radikaler Plastizität, Unorientierbarkeit und Offenheit fort, das zugleich einem Zugeständnis an die Notwendigkeit aufmerksamer Wahrnehmung entspricht.


Hanne Loreck studierte Visuelle Kommunikation, Kunstwissenschaft, Philosophie und Germanistik und ist seit 2004 Professorin für Kunst- und Kulturwissenschaften sowie für Gender Studies an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Sie forscht und publiziert zu aktuellen Kunstpositionen, zur Kunst- und Mediengeschichte des 20. Jahrhunderts und zur Kulturtheorie mit einem Schwerpunkt auf Fragen von Subjekttheorie, ästhetisch-politischem Handeln, von Sichtbarkeit, Bildlichkeit und Oberflächen.

Guilherme Pires Mata stammt aus Niterói nahe Rio de Janeiro und ist in Wien als freier Kurator, Künstler und Vermittler an der Schwelle zwischen Praxis und Theorie tätig. Er ist Mitarbeiter der Galerie Georg Kargl Fine Arts und studiert im MA-Studiengang für Critical Studies an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Zuvor absolvierte er den MA für Education, Curating and Managing an der Universität für Angewandte Kunst Wien. Neben früheren Studien der Brasilianischen Literatur und der Kunsterziehung in Rio de Janeiro und São Paulo war er von 1982 bis 2014 freier Mitarbeiter für Textildruck und Design bei verschiedenen Modelabels in Brasilien. Zuletzt kuratierte er u.a. die Ausstellungen Carlos Perez. Sin Recuerdos no hay Memoria (Raumimpuls, Waidhofen an der Ybbs, 2021), Unfolded Matters. Nature as Culture, Culture as Nature (Georg Kargl Fine Arts, Wien, 2019), Jakob Lena Knebl (Georg Kargl Permanent, Wien, 2016) und S_P_I_T – Queer Performance Festival Vienna (Tanzquartier Wien, als Co-Kurator, 2016).

Jette Gejl Kristensen beschäftigt sich in ihrer künstlerischen Praxis seit vielen Jahren mit der Frage, wie wir als Individuen mit verschiedenen Systemen und Netzwerken interagieren – angefangen bei unserem Nervensystem bis hin zu den vielfältigen soziokulturellen Normen, in die wir von Geburt an eingebettet sind. Ihre multimedialen Arbeiten entstehen oft in enger Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen und Theoretiker*innen und beziehen vielfach auch die Ausstellungsbesucher*innen in einen partizipativen Prozess des Entwickelns immer wieder neuer Perspektiven und Methoden mit ein. Jette Gejl ist seit 2007 künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin der Aarhus University, war in zahlreichen Jurys und Gremien vertreten und blickt auf viele internationale Ausstellungen zurück.

Sarah Kolb
, Kunsttheoretikerin und Kuratorin, leitet im Rahmen einer FWF Elise Richter Stelle an der Kunstuniversität Linz das Forschungsprojekt »Topologien der künstlerischen Forschung. Relationale Wissensmodelle in Kunst und Theorie«. Zuvor war sie Gastprofessorin für die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts an der Universität Salzburg, Lehrbeauftragte an der Akademie der bildenden Künste Wien, Universitätsassistentin an der Kunstuniversität Linz und Kuratorin in der Wiener Secession. Weitere Forschungsprojekte beschäftigen sich mit Henri Bergsons und Marcel Duchamps »Ästhetik der Transformation« sowie mit Roger Caillois’ Konzept der »Diagonalen Wissenschaften« als Theorie der künstlerischen Forschung avant la lettre.

 

PROGRAMM


15.00 bis 15.15 Uhr Begrüßung

15.15 bis 16.00 Uhr Einführung: Ästhetik des Nicht-Objekts Sarah Kolb

15.45 bis 16.45 Uhr Zwischen sinnlicher und geistiger Konkretheit Guilherme Pires Mata

16.45 bis 17.15 Uhr Kaffeepause

17.15 bis 18.00 Uhr »convulsa or The Need for Each Other’s Relay« von Katrin Mayer, spekulativ gelesen und gesichtet Hanne Loreck

18.00 bis 18.45 Uhr Artist Talk Jette Gejl Kristensen & Sarah Kolb

19.00 Uhr BEIGE MATTERS. Jette Gejl Kristensen & Company Ausstellungseröffnung in der WHA Galerie


Aufgrund aktueller Zugangsbeschränkungen bitte um Voranmeldung via E-Mail an sarah.kolb@ufg.at
Zoom-Zugangsdaten werden ebenfalls nach persönlicher Voranmeldung via E-Mail kommuniziert.


Die Veranstaltung unterliegt den aktuellen Corona-Bestimmungen:
>>> Registrierungspflicht am Einlass
>>> beschränkte Teilnehmer*innenzahl
>>> FFP2-Maskenpficht und Abstandsregeln


Eine Veranstaltung im Rahmen des FWF Elise Richter Projekts Topologien der künstlerischen Forschung. Relationale Wissensmodelle in Kunst und Theorie von Sen. Sct. Dr. phil. Sarah Kolb, Abteilung für Kunstgeschichte und Kunsttheorie. Mehr Informationen: relational-knowledge.net

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Plakat zum Workshop EINS GANZ FREI, 2021