21. Juni 2016, 18.00 Uhr Kepler Salon, Rathausgasse 5, Linz
Vortrag von Petra Gehring im Rahmen der Reihe "relatifs".
Der Vortrag stellt in der Art eines Werkstattberichts ein Forschungsprojekt zur Geschichte der Bioethik in Deutschland vor, das aber über bloße Geschichtsschreibung („wer, was, wann“) hinausgeht. Zentrale Fragen zielen auf das eigenartige Phänomen „angewandter Ethik“ als solches: Wie konnte sich diese semi-wissenschaftliche Form von Expertise öffentlich etablieren? Wie steht Ethik zu Politik und Recht?
Welche Rollen spielen in ihr (und sie für) Kirchen und Theologie? Welche Art der Macht entfaltet das ‚Prinzip Diskurs‘, dem die Ethik sich verpflichtet sieht – von Hearings, Podien, Talkshows und Kommissionsarbeit
bis zu Unterrichteinheiten im Schulunterricht? Und wie steht Bioethik zur Biomedizin und zu den Biotechnologien, mit denen sie sich mehr oder weniger kritisch befasst?
Gehring entwickelt hierzu Thesen, von Foucault her (Biomacht/bio-pouvoir), aber auch mit Blick auf die Spezifika bioethischer bzw. ‚ethisch-angewandter‘ Normativität. Angewandte Ethik als Form ist etwas Neues, einschließlich ihres enormen Erfolgs. Wie es zu beidem kam, besser zu verstehen heißt, ihren – komplexen – Sinn nicht nur als Kritikerin, sondern auch als Teil von Technik, als enabling technology, möglichst detailnah zu analysieren. Denn jedenfalls ist Ethik produktiv, sie leistet etwas. Allerdings eben: was und für wen genau?
Eine intensive Diskussion zum Vortrag ist ausdrücklich erwünscht.
Petra Gehring
ist Professorin für Philosophie an der TU Darmstadt, im SS Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin. Michel Foucaults Konzept der Biomacht hat sie in eine Richtung weitergedacht, die die ideologischen Effekte des Vitalozentrismus der Moderne betont. Neben ihrer Einführung in Theorien des Todes (Junius 2010) sind zahlreiche Publikationen zu Fragen nach Technologie und Körper, den Grenzen des Lebens und der Rolle von Experten für die Medizinethik zu betonen. Sie beschäftigt sich außerdem mit der Theoriegeschichte des (Post)-Strukturalismus und hat an einigen Veranstaltungen der Mobilen Akademie Berlin teilgenommen.
Die Veranstaltungsreihe wird von Karin Harrasser (Kunstuniversität Linz, Kulturwissenschaft), Anne von der Heiden (Kunstuniversität Linz, Kunstgeschichte und Kunsttheorie) und dem Kepler Salon Linz ausgerichtet.