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TALK

Komplexe Gefüge. Kunst ausstellen als wissenschaftliche Praxis

6. Juni 2023, 18.00 Uhr Domgasse 1, Expostmusikraum

Vortrag von Prof. Dr. Dietmar Rübel im Rahmen der Reihe "relatifs". Der Vortrag widmet der Konstruktionen einer „europäischen Moderne“ im Kontext der 1970er Jahre. Als zentrales Beispiel soll die neunteilige Ausstellungsreihe Kunst um 1800, die von 1974 bis 1981 an der Hamburger Kunsthalle realisiert wurde, dienen. Zwar erscheint die Moderne inzwischen als die Antike der Globalisierung, die Geschichte ihrer Bilder, Dinge und Prozesse haben wir aber immer noch nicht hinreichend verstanden. Die Hamburger Ausstellung in neuen Etappen unternahm diesen Versuch in den 1970er Jahren auf modellhafte Weise und rückte die Wirkmacht von Kunstwerken ins Zentrum. Dieses Unternehmen, eine andere Geschichte der europäischen Kunst im Zusammenhang mit industriellen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Umwälzungsprozessen zu visualisieren und zu schreiben, war Forschungsprojekt, Ausstellungsexperiment, Feier der Bildkünste und politische Stellungnahme. Der Zyklus prägte Debatten über wissenschaftliches Arbeiten an Kunstmuseen sowie die Praxis des Ausstellungsmachens, bevor der Begriff des Kuratierens existierte, über Jahrzehnte auf paradigmatische Weise. Dabei wurde versucht mit historischen Werken auf Verfahren der zeitgenössischen Kunst zu reagieren: Es war das Anliegen, einen historischen und systematischen Überblick über die ästhetischen, politischen und technischen Veränderungen der Zeit um 1800 und ihrer Folgen für die Künste des langen 19. Jahrhunderts – dem sogenannten Zeitalter der Revolutionen – zu geben. Dabei liefert der Ausstellungszyklus auch Antworten auf die damals von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno vertretene Vorstellung einer Dialektik der Aufklärung, insbesondere auf die komplexen Verschlingungen von Freiheitsstreben und Selbstzerstörung. Die Reihe eröffnet – als eine Art Re-Education – somit einen größeren Kontext, etwa für die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und die Etablierung einer streitbaren Demokratie. Dietmar Rübel ist Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte und Theorie der Kunst an der Akademie der Bildenden Künste in München; zuvor war er Professor für moderne und zeitgenössische Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Nach dem Studium der Kunstgeschichte, Politologie sowie Literatur- und Filmwissenschaft in Hamburg und Zürich war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Vertretungsprofessor an den Universitäten von Hamburg und Marburg. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der modernen und zeitgenössischen Kunst, dem Verhältnis von Kunsttheorie und künstlerischer Praxis, auf Materialität und Dingen, Geschichte und Theorie der Skulptur, Subkultur, Film und Medienkunst sowie der Praxis und Theorie der Ausstellung. Darüber hinaus ist er als Ausstellungsmacher tätig und war u. a. Gastkurator am MAK in Wien, der Akademie der Künste und der Nationalgalerie zu Berlin, dem Museum für Gestaltung Zürich, dem Grünen Gewölbe in Dresden sowie an der Hamburger und Düsseldorfer Kunsthalle. Gastgeberinnen:
Anne von der Heiden
Jasmin Mersmann Eine Veranstaltung der Kunstuniversität Linz (Abteilung Kunstgeschichte und Kunsttheorie) in Kooperation mit dem Kepler Salon