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EXHIBITION

ODOR

Eröffnung: 8. Juni 2022, 19.00 Uhr; Ausstellung bis 24. Juni 2022 Kunstuniversität Linz, Hauptplatz, 4020 Linz

Ausstellung Studierender des „Olfaktorik“-Labors, sowie des „Druckgrafik"-Labors zum Thema Geruch. Begrüßung: Ursula Hübner
 
Beteiligte Studierende:
Jennifer Eder, Klara Fehsenmayr, Sibel Koschinski, Magdalena Maller, Sarah Mühlbacher,  Verena Steininger
 
Projektbetreuung: Julia Gutweniger und Bernhard Weber
Text zur Ausstellung: Julia Grillmayr
83 Düfte zur Eröffnung: Bernhard Weber
 
Okularzentrismus. Mit diesem etwas angsteinflößenden Wort bezeichnet man die Augen-Besessenheit der modernen, westlichen Welt, wenn es um Wissensproduktion geht. Der Sehsinn steht an der Spitze einer gewissen sensorischen Hierarchie und das prägt auch den Charakter dessen, was wir als Wissen und als gewiss verstehen und anerkennen. Ein Forschungsobjekt gehört, zwecks Überblicks, in gebührender Distanz zum Forschungssubjekt aufgestellt (Nicht berühren!). Es wird, zwecks Durchblicks, seziert und in dünne Scheiben geschnitten. So wird objektives (was für ein okularzentristisches Wort!) Wissen hergestellt. Vielleicht bemerkt das Forschungssubjekt am Forschungsobjekt einen gewissen Duft? Vielleicht erlaubt es sich einmal an ihm zu riechen? Aber davon schweigen die Bücher meistens. Was würde aber passieren, wenn wir mehr darauf achten, dass auch unsere anderen Sinne Wissen von der Welt kreieren. Was passiert, wenn wir auf den Geruchssinn beharren; wenn wir den Olfaktozentrismus (??) ausrufen? Ein Blick auf die Arbeiten, die ODOR versammelt, gibt Hinweise auf eine durch Riechen geleitete Weltwahrnehmung. Sagte ich „ein Blick“? Das war ja schon wieder okularzentristisch... ODOR muss selbstverständlich gleichermaßen angeschaut wie ... errochen (?) werden. Dem Olfaktozentrismus fehlen noch die Worte. Es ist genau dieser Übersetzungsprozess vom Olfaktorischen ins Visuelle, der ODOR mitunter beschäftigt. Die Kollaboration zwischen Julia Gutwenigers Druckgrafik- und Bernhard Webers Olfaktorik-Labor ergibt nicht zuletzt die Frage ob und wie man Duft zeichnen kann. Diese Frage stellt auch Klara Fehsenmayr ihrer textilen Arbeit „wide open exit (der Apfelmusgeruch in der Küche)“ voran. Die halbtransparenten Stoffe, die einen nicht klar abgrenzbaren Raum aufspannen, gehen auf die Suche nach einer Art olfaktorischen Schrift, die auch die Überlagerung und Vermischung verschiedener Düfte zum Ausdruck bringen könnte. Nicht zuletzt von den Cartoon-Figuren, die regelmäßig, von Düften hochgehoben, auf Duftspuren in die Küche schweben, wissen wir, dass in der Küche und beim Essen Gerüche eine besondere Rolle spielen. Jennifer Eder macht das am herrlich-eigenartigen Ferment-Geruch von Miso deutlich. In „Schwimmendes Landei“ wird aber auch die Dissonanz deutlich, die entsteht, wenn wir, durch Soziale Medien scrollend, unzählige Fotos von Essen betrachten, dieses aber niemals zu riechen bekommen. Mit einer solchen Dissonanz, einer solchen Bild-Duft-Schere, arbeitet auch Verena Steiningers Installation „Smelling Distinction“. Was passiert in unseren Gehirnen, wenn wir das Fenster zu der vielbefahrenen Linzer Donaulände öffnen, die urbane Landschaft von Urfahr im Blick haben, aber unsere Nase direkt ins frischeste und saftigste Grün des weit dahinterliegenden Mühlviertels transportiert wird? Es wird klar, auch wenn Gerüche flüchtige Phänomene sind, die ineinanderfließen und nur schwer zu beschreiben sind, haben sie eine ziemliche Power. Mit einem Schlag ziehen sie uns in andere Zeiten und an andere Orte. In dieser spezifischen Form des olfaktorischen Beamens versucht sich die Arbeit von Sibel Koschinski; „Forest (shinrin yoku)“ transportiert an einen Ort der Ruhe inmitten von Unruhe. Das kann die Nase. Der Olfaktozentrismus ist aber noch in einer weiteren Hinsicht wunderbar beunruhigend. Während die Augen darauf angewiesen sind, dass das zu betrachtende Objekt in einem gewissen Abstand gehalten wird und auch die Ohren eine gewisse Distanz zu dem Erhörten erlauben, führen uns die anderen Sinne unweigerlich dicht an das heran, worüber wir mehr wissen möchten. Will man etwas erschmecken, muss es erstmal auf die Zunge, zu Ertastendes muss berührt werden und will man etwas erriechen, dann hilft nur ein tiefer Luftzug, der die Geruchspartikel aufsaugt und Teil des eigenen Körpers werden lässt. Wie nah uns Gerüche sind, wie sie an uns anhaften und immer wieder aufblitzen können, das zu erforschen, erlaubt die partizipative Installation von Sarah Mühlbacher. „Lavur“ lädt ein, sich mit angenehmen Düften die Hände einzucremen und dabei gleichzeitig eine sich ständig verändernde Vaseline-Skulptur mitzuformen. Entschließt man sich, in dieses ungewöhnliche Material zu greifen –beziehungsweise in dieses gewohnte Material, das hier in einer absolut ungewöhnlichen Menge vorzufinden ist – geht man allerdings auch auf eine haptisch-olfaktorische Suche nach eigenen Ekelgrenzen.
Dass wir unzureichendes Vokabular und zu wenig Übung haben, um Düfte in Worte zu fassen und den Geruchsinn als Instrument zur Welterfassung zu beschreiben, bedeutet freilich nicht, dass Gerüche in unserem Alltag und unseren Urteilen keine Rolle spielen. Genauso wie Sehen, Hören, Berühren und Schmecken, ist das, was wir gerne oder ungerne riechen, womit wir positive oder negative Assoziationen haben, maßgeblich gesellschaftlich geprägt. Die zwei Werke von Magdalena Maller thematisieren diese soziale Komponente des Riechens. „Unter der Wäscheleine“ verknüpft olfaktorische Eindrücke – hier allerdings übersetzt ins Visuelle über die Technik des Siebdrucks – mit Fragen nach sozialem und ökonomischem Status. Die Installation „Mach die Tür zu - die Toleranz verschiebt ihre Grenzen“ ist selbst wie ein soziales Experiment aufgebaut, das mit architektonisch bedingter (un)gewollter körperlicher Nähe arbeitet und Toleranzgrenzen ausprobiert. Gerahmt, eingebettet und vielleicht auch bestimmt, wird das Experiment von einem Duft, der so gesellschaftsfähig ist, wie kein anderer, und gleichzeitig in seiner Plumpheit und Intensität irritiert – Sie werden ihn sofort erkennen! Wenn wir es also einigermaßen gewohnt sind, unseren Blick zu schärfen und unsere Ohren zu spitzen, verlangt uns ODOR ab, unsere Nase zu ... zu was? Wieder fehlen dem Olfaktozentrismus die Worte. Vielleicht können wir ja ein Wort kapern, das ohnehin ausgedient hat und das „Naserümpfen“ als gezielte Form der Weltbegegnung ausloten. Rümpfen wir!