Ilona Stuetz
Bachelorarbeit, 2017
textil·kunst·design
Schon früh nach der Entwicklung der Technik des Lichttons begannen erste Versuche um, von diesem Prinzip ausgehend, Wege für synthetische Ton- und Klangerzeugung zu finden. Um 1930 haben Künstler*innen bereits damit experimentiert sich die Technik zueigen zu machen und so synthetische Klänge zu erzeugen, die vorhandene Klänge imitieren und somit ersetzen konnten. Im Gegensatz dazu liegt bei der vorliegenden Bachelorarbeit das Interesse vielmehr am unmittelbaren akustischen Feedback auf graphische Spuren. Diese graphischen Spuren sollen nicht als Imitation der „Schriften“ der Tonaufzeichnung verstanden werden, sondern als eigenständige graphische Zeichen.
BAUPLAN UND REALISATION
Bei dem vorliegenden künstlerischen Projekt handelt es sich um eine Adaption der Idee des gezeichneten Tons. Grundelement für das Soundobjekt bildet ein 16mm Filmprojektor der Marke Bauer. Viele Elemente die für das Projekt nicht von Relevanz wurden aus dem Gerät entfernt – so etwa der Motor, die Bild-Optik, Teile des Lichttonabnehmers. Dadurch resultiert eine Reduktion des Gewichts und es erleichtert zugleich weitere Modifikationen und Eingriffe in die Mechanismen des Projektors. Wichtig ist vor allem der Ausbau des Greifers, der den Film normalerweise Kader für Kader weitertransportiert. Durch diese Modifikation ist es möglich den Film gleichmäßig durch den Projektor laufen zu lassen. Zum Antrieb wird ein externer Motor verwendet, da der Originalmotor einerseits defekt war und andererseits so eine Änderung der Geschwindigkeit des Filmtransports möglich ist. In Vorversuchen wurde dafür ein Akkuschrauber verwendet der mittels einer biegsamen Welle mit dem Projektor verbunden wurde. Zum momentanen Zeitpunkt ist ein Motor aus dem Modelleisenbahnbau eingebaut dessen Umdrehungszahl sich regulieren lässt.
Sowohl die ursprüngliche Bild-Optik, als auch die Lichtton- Optik findet keine Verwendung. Zwar passiert der Film den Projektor wie vorgesehen, jedoch ist der Ort der „Projektion“ geändert. Anstelle der Bild-Optik sind zwei Fotozellen angebracht, die die Menge des durch den Film fallenden Lichts messen.
Eine Projektion im eigentlichen Sinne findet nicht statt. Eine Lampe beleuchtet den Film, das durchfallende Licht fällt auf die Sensoren bzw. auf die Lichtleiter die jeweils vor den zwei Fotozellen montiert sind. Lichtleiter sind Bauteile die Licht über gewisse Strecken transportieren. So ist es möglich, die eigentlichen Sensoren und das Microcontroller-Board (Teensy) außerhalb des Projektors zu platzieren.
Das Teensy Board (Teensy L-C) ist ein Microcontroller-Board das sich mittels der Arduino Software und zugehörigem Add-On programmieren lässt. Die lichtsensiblen Fotozellen reagieren auf das auftreffende Licht und das Microcontroller- Board übermittelt die so gesammelten Werte in Echtzeit in Form von Midi-Daten mittels USB Port an das Audio- Programm Ableton. Dieses ermöglicht es durch die Funktion „Midi learn“, Audio-Effekten Midi-Signale zu zuweisen.
Diese Effekte werden über den Audio-Input gelegt der von den zwei Mikrofonen stammt, die die Geräusche des laufenden Projektors aufnehmen. Diese Aufnahme, wie auch die Einspeisung erfolgt in Echtzeit. Somit hat etwa eine Änderung der Geschwindigkeit des Motors eine unmittelbare Auswirkung. Ebenso ist nicht auszuschließen, dass Umgebungsgeräusche ebenso von den Mikrofonen aufgenommen werden.
Der Film durchläuft den Film an sich in vorhergesehener Weise, mit der Ausnahme, dass er geloopt ist. Anfang und Ende des Filmstreifens sind miteinander verklebt. Diese Überlegung entstammt der Konzeptionsphase in der angedacht war die grafischen Zeichen zwischen den Filmspulen zu setzen. Es hat sich jedoch heraus gestellt, dass sich ein anderer Ort besser anbietet. Durch das Loopen des Filmes ist es möglich gesetzte grafische Spuren ein weiteres Mal zu überarbeiten. Außerdem wird Tatsache unterstrichen, dass es sich bei den entstehenden Sound-Ereignissen nicht um in sich geschlossene Stücke oder Kompositionen handelt, sondern um performativ entstehende Ereignisse. Im Fokus steht also nicht die Schaffung einer fertigen Komposition. Das Ergebnis ist ein performativer Prozess. Wobei nicht die Künstlerin als Akteurin im Mittelpunkt steht, sondern der Prozess der Übersetzung. Zwar werden die Parameter in der Vorbereitung ausgetestet und es entstehen erste Filmstreifen, dennoch sollen diese nicht als eigenständige, gar fertige Kompositionen verstanden werden.
GRAPHICTRACE
Die Recherche zur Formfindung hinsichtlich der grafischen Spur (Graphic Trace) umfasste unter anderem das Erstellen eines Repertoires von Ausprägungen. Variationen resultierten dabei einerseits durch die grafischen Elemente selbst, als auch durch die unterschiedlichen Farben und Auftragungsmittel der Farbe auf Film. Diese ersten Versuche wurden statisch durchgeführt. Weder der Film, noch ich als Zeichen setzende Person waren in Bewegung.
Während der Erstellung eben dieser Sammlung und der Reflexion der Informationen aus der historischen Entwicklung rund um die Adaption des Prinzips des optischen Lichttons ergab sich folgende Schlussfolgerung für die grafische Spur:
Da die Erscheinungsform der Spur nur insofern von Bedeutung für die Sensorik ist, als dass die Gesamtmenge des durchfallenden Lichts gemessen wird, ist die optische Erscheinung hinsichtlich ihrer Ästhetik von keiner Relevanz.
Von viel größerer Bedeutung ist, welche grafischen Spuren unter den gesetzten Bedingungen für die aktierende Person am natürlichsten oder angenehmsten auszuführen ist.
Als Werkzeug und Material für das Auftragen der grafischen Spur werden Haarpinsel verwendet. Ihre an sich dünne Spitze ermöglicht eine möglichst große Bandbreite an verschiedenartigen Linienstärken und Strukturen durch Variation im Pinselaufdruck. Als Farbe wird Acrylfarbe verwendet. Nicht allzu dick aufgetragen trocknet sie verhältnismäßig zügig und durch ihre Konsistenz haftet sie am Filmmaterial.
SOUND IN- UND OUTPUT
Als Quelle für den Sound dient der Projektor selber. Zwei Mikrofone nehmen die Geräusche ab, die der Motor und Projektor produzieren. Verwendet werden ein Mikrofon das die Schwingungen aus der Luft aufgreift und ein Kontaktmikrofon.
So werden zwei unterschiedliche Klangquellen verarbeitet. Das Kontaktmikrofon nimmt die Geräusche des Motors und des Projektors ab; der Projektor dient als Resonanzkörper. Das zweite Mikrofon befindet sich auf Höhe der Filmspulen und zeichnet die Geräusche ab, die entstehen wo Film und Filmspule aneinander reiben. Während das Schleifen des Filmes einen gleichmäßigen Hintergrund bildet ist die zweite Aufnahme ein rhythmischer Kontrapunkt. Die Entscheidung den Eigenklang des Projektors zu Verwenden und zu Manipulieren rührt aus mehreren Überlegungen her. Der Projektor hat in Betrieb genommen ein relativ lautes Eigengeräusch. Durch den ausgetauschten Motor und die Verwendung des Potentiometers als Regulator der Drehzahl ist dies wiederum verstärkt. Diese Klangkulisse wäre unvermeidbar gewesen bei Einsatz des Soundobjekts. Weiters erschien es, als sei jeder Sound willkürlich. Den Eigenklang des Projektors zu verwenden bedeutet, dass es ein in sich geschlossener Kreis ist, in dem die performende Person allein durch die Zeichensetzung auf den Film eingreift und somit nur modulierend manipulierend ist.
FAZIT UND AUSBLICK
In seiner Konzeption ist die Arbeit prozessorientiert. Durch die Recherche und Auseinandersetzung mit verschiedenen Strömungen im Experimentalfilm und auch künstlerischen Positionen, die im weitesten Sinne mit dem Medium Film arbeiten, gibt es verschiedene Aspekte der Arbeit an denen ein weiteres Austesten denkbar ist. So sind weitere Versuche angedacht die Quelle des Sound-Inputs zu verfeinern oder auch die Effekte differenzierter zu steuern durch genauere Zuweisung der Parameter an die unterschiedlichen Photodioden. Wobei hier denkbar wäre die Zahl der verwendeten Photodioden zu verändern. Auch der regulierbare Motor bietet Möglichkeiten der Manipulation des Filmtransports die jedenfalls in größerem Ausmaß eingebaut werden könnten.
Der Aufbau für Präsentationen kann variieren. Durch die Zuweisungen einzelner Mikros an unterschiedliche Lautsprecher und deren Platzierung im Raum können akustische Räume geschaffen werden.
Da der Projektor durch die Manipulation zu einem „Instrument“ der Produktion wurde und er nicht länger ein Apparat zur Reproduktion ist, wird er zum Objekt.1 Dies bedeutet, dass in einem Ausstellungskontext der Projektor als Objekt präsentiert wird und die akustische Ebene nur in Zuge von Performances erfahrbar wird.
Julia del Rio & Ilona Stuetz, Performance at STWST Linz, Jan. 2017 INTERFACE CULTURES MUSIKKAPELLE
vimeo.com/215188603
Betreuerin: Mag.art. Melanie Greußing, Ba. Ma.