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TALK

Spekulation

4. Oktober 2012 Frankfurt am Main

Melanie Letschnig, ab 1. November 2012 Assistentin bei Medientheorien, hält im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft einen Vortrag.

Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft, 3. – 6. Oktober 2012 / Frankfurt am Main

Zur Attraktion der Spekulation – Eine Diskursgeschichte der Explosion

Das zerrüttende Potential der Explosion charakterisiert nicht nur ihre Form, sondern auch die theoretische Auseinandersetzung mit ihr. Polarisierung steht hoch im Kurs. Betrachtet man beispielsweise den Stellenwert der Explosion im filmwissenschaftlichen Diskurs über das Action Movie Genre, offenbart sich der Reiz: einerseits wird der Explosion als Erkenntnisinstrument (in Bezug auf filmische Strukturen, Schaulust und Rezeption) Bedeutung beigemessen, andererseits wird ihr die lautstarke und bedingt gezielt einsetzbare Unfassbarkeit vorgeworfen, ihre Spektakularität verteufelt, weil sie die Narration zum Feigenblatt degradiere. Damit zeitigt die Furiosität der Explosion hitzige Debatten um die Ästhetik von Vergewisserung und Enttäuschung, die nicht erst mit dem Kino einsetzen. Als im 17. Jahrhundert Wissen in Form von Akademien institutionalisiert wird, gerät die Explosion zum Zankapfel. In Opposition zueinander stehen die Auffassung der Explosion als Beiträgerin zu einer “speculative knowledge“ (so der Historiker Simon Werrett), die als analogisches Phänomen Erkenntnisse über die Vorgänge in der Natur (Meteor!) hervorbringen soll und mit ihrer Attraktivität gleichzeitig als Bewußtseinsmaßnahme das Interesse der Menschen an der Wissenschaft anheizt. Andererseits wird eben genau das Spektakel der Explosion zum Vorwurf gemacht – als Eye Candy ohne Erkenntniswert verhält sie sich zu unberechenbar, um sich gänzlich in den Dienst der Wissenschaft stellen zu lassen. Die Positionen, die der philosophische Diskurs über die Explosion erzeugt, übertragen sich auf die Beurteilung des Stellenwerts der Explosion als Spektakel in Festkulturen europäischer Höfe. Hier wird mit prunkvollen Feuerwerken Politik gemacht, und je nachdem, welchen gesellschaftlichen Hintergrund und religiöse Konfession die HerrscherInnen und das Publikum vorzuweisen haben, erscheint der illuminierende Bombast als ästhetischer und ökonomischer Reizfaktor legitim oder verwerflich, auf jeden Fall ist die Explosion Mittel zur Demonstration und Manifestation von Macht.

Anhand des Einsatzes der Explosion als ästhetischem Instrument in Wissenschaft, Festkultur und Kino soll untersucht werden, wie in der Eingliederung der Explosion als dienstbarem Phänomen zwar die Wirkstätten wechseln, nicht aber die Diskurse, die der Explosion das Spektakuläre und Spekulative vorwerfen bzw. hoch anrechnen.

Melanie Letschnig
Geboren in Kärnten, aufgewachsen in Bleiburg/Pliberk.
1998 – 2006 Studium der Theater-, Film und Medienwissenschaft mit Schwerpunkt Volkskunde an der Universität Wien.
Neben dem Studium Restauratorin für Wandmalereien und Architekturoberfläche bei Hans Hoffmann, Wien.
Praktika im Österreichischen Filmmuseum (Archiv) und beim ORF (Archiv, Abteilung Langzeitsicherung).
Juli 2007 bis Oktober 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin im FWF-Projekt „Die Wiener Hofburg seit 1918. Von der Residenz zum Museumsquartier“ (in Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften).
Von März 2008 bis September 2012 Assistentin am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien im Bereich Theorie des Films.
Dissertationsprojekt: Spektakuläre Formen – Explosion in höfischer Festkultur, Blumenstillleben und Kino (Arbeitstitel)
Forschungsschwerpunkte:
Explosionen in höfischer Festkultur, Blumenstillleben und Kino
Konstitution und Zerstörung von medialen Dispositiven Animationsfilm (Deutschland und England, 1920er bis 1970er Jahre)