November 2023 Vienna
The interview with Martin Fritz (MF) was conducted by Heidi Pretterhofer (HP) and Michael Rieper (MR) in Vienna in November 2023.
Martin Fritz is a curator, consultant, lecturer and publicist. He specializes in contextual studies, institutional critique, site-specific art and cultural policy. After studying law, he worked and was involved in various projects. Fritz has held various management positions, including Director of Operations for the P.S.1 Contemporary Art Center in New York and Managing Director of the art project “In Between” at Expo 2000 in Hanover. From 2004 to 2009, he managed the Festival of Regions in Upper Austria. Martin Fritz has been Secretary General of the Austrian UNESCO Commission since 2022.
HP: Der Strukturplan zeigt ganz Oberösterreich in Gebäuden aufgelöst, zusammengehalten von Wasserwegen und Seen. Das ist der ganze Siedlungsraum Oberösterreich. Wodurch zeichnet sich dieser Raum aus?
MF: Die offizielle Raumplanung oder zumindest die politische Vorstellung war, dass man nahezu jeden Ort mit mindestens oder maximal einer Stunde von Linz erreichen kann. Es gibt den Begriff des Zentralraums. Das Steyr-Linz-Wels-Konglomerat. Die Lebensstile sind im Hinterkopf ländlich geprägt. Jeder und jede hat ständig die Möglichkeit, mit ebendieser berühmten Stunde, in einen ländlichen Lebensraum zurückzukehren. Als Zweitwohnsitz, Herkunftsgemeinde, oder Elternwohnsitz. Diese dialektische Beziehung zwischen Zentralraum und Landleben ist mir in Erinnerung.
HP: Wie siehst du in Oberösterreich die Beziehung zum Zentralraum?
MF: Es gibt Symbole dafür, zum Beispiel die Drive-in-Möglichkeit bei jenen Stellen der Landesregierung, die direkt am Hauptbahnhof in Linz angesiedelt sind. Das spiegelt wider, dass man sich bewusst ist, wie viel man mit dem Pendeln, dem Mobilsein und dem zeitgenössischen, dezentralen Landleben zu tun hat. Da ist ein bisschen Propaganda im Spiel.
HP: Du hast mehrmals das Festival der Regionen geleitet. Kannst du bitte die drei Regionen nennen und ein kurzes Charakteristikum zu ihnen geben? Die Titel waren markant: Geordnete Verhältnisse[1], Fluchtwege und Sackgassen[2] und Normalzustand[3].
MF: Es ist ein Spiel mit dem Regionsbegriff, denn der muss jeweils erst konstruiert werden. Die rein geografischen Viertel sind zwar auch Regionsbezeichnungen, doch man muss eine Logik finden zwischen Topografie, Geschichte und dem, was es aktuell an interessanten Themenlagen gibt. Im oberen Mühlviertel, 2005, war die Idee das typische Provozieren – die Kunst geht aufs Land und provoziert, ist Störfaktor und bringt alles in Aufruhr – schon am Titel zu konterkarieren. Das obere Mühlviertel, mit seinem stereotypisch ordentlichen Schlägl. Es gibt das Stift, es gibt die alten Ortskerne und man könnte sagen, da ist vieles in Ordnung, darum haben wir diese Destination, dieses äußerste Ende von Schlägl bis Schwarzenberg mit dem Titel Geordnete Verhältnisse bespielt, wobei damit auch eine Anspielung auf das Stifterjahr verbunden war. Beim zweiten Festival haben wir noch viel stärker konstruiert. Wir haben die Pyhrn Autobahn von Windischgarsten bis Kirchdorf als Region unter Anführungszeichen definiert. Die offiziellen Bezeichnungen waren Bezirk Kirchdorf, Priel-Region, oder Einzelnamen wie Hinterstoder. Uns hat interessiert, was diese historische und gegenwärtige Realität als Durchzugsgebiet ausmacht. Interessant war, dass wir auf eine Kulturinitiative gestoßen sind, die genau diese Geschichte gehabt hat, nämlich aus dem Autobahn-Widerstand heraus. Als die Autobahn fertig war, trotz Widerstand, sind sie zur Kulturinitiative geworden. Damit hatten wir einen Beweis dafür, dass das Thema, das Setting und die Akteur:innen vor Ort gestimmt haben. Fluchtwege und Sackgassen thematisierte die Autobahn, natürlich auch Fragen wie Migration, Einwanderungsgesellschaft, Mobilität, Pendeln, das ganze Paket.
HP: Hast du zu dem Zeitpunkt schon von dieser Kulturinitiative gewusst, die die gleiche Region konstruiert hat wie ihr mit dem Festival?
MF: Ich habe mich in der Recherche immer erst dann für eine Region entschieden bzw. dem Vorstand vorgeschlagen, wenn mir die Akteur:innen-Struktur klar war. Den Verein kennenzulernen war dann die letzte Sicherheit.
MR: Du hast gewusst, das ist die richtige Entscheidung.
MF: Ich bin zum Schotter-Badesee gekommen, im Kassenhäuschen saß jemand der sagte, den See hat gerade diese Kulturinitiative gepachtet. Sie wollten ihren Tätigkeitsbereich ausweiten und dachten, einen Badesee zu pachten wäre gut. Das war ein schöner Moment, zu sehen, wofür sind Kulturinitiativen da. Was können sie beleben. In dem Fall haben sie einen Badesee-Betrieb sichergestellt, für den es keinen Betreiber gegeben hat. Beim Festival der Regionen war für uns eine zentrale Frage, wer agiert dort schon? Und wer agiert so, dass es für uns eine Kooperation werden kann? Das dritte Festival war dann 2009, als Linz Kulturhauptstadt Europas war. Bei öffentlichen Präsentationen wurde von der Kulturhauptstadt als Ausnahmezustand gesprochen. Diesen Ball haben wir mit Normalzustand gekontert. Diese städtischen Randlagen, zwei Wohnanlagen und die Solar-City, waren wie eine zeitgenössische Kleinstadt. Eine Dorf-Struktur, mit der das Festival der Regionen Erfahrungen hatte. Wie agiert man in solchen Strukturen? Und so haben die drei Festivals die Bewegung nachvollzogen, die für mich immer ganz wichtig war – dass man zeitgemäßes Leben im dezentralen Raum ohne Mobilität nicht beschreiben kann. Es ist ein Paradox: Die großstädtischen Lebensstile können es sich leisten weniger mobil zu sein. Es sind die ländlichen Lebensformen, die im Los-Angeles-Gefühl leben.
HP: Absolut, das Los-Angeles-Gefühl ist in Oberösterreich weit verbreitet, wenn man sich die diversen Einfamilienhausgebiete anschaut. Was kann man sich als Zukunftsbild für diese regionalen Entwicklungen wünschen?
MF: Ich glaube die größte Veränderung ist, dass man jetzt hoffen könnte, auch mit anderen technologischen Entwicklungen etwas nachhaltiger zu leben als dieses wahnwitzige Pendeln, mit dem die Auto-Kultur verbunden ist. Zum Beispiel das Argument mit der Stunde. Wenn jemand in Linz einen Job hat, wie kann er eine Fußball-Knaben-Mannschaft in seinem Heimatort trainieren, mit allem, was dazugehört – dass es die Fußballmannschaft gibt, dass die Kinder was zu tun haben, dass es noch ein Dorfleben gibt? Er hört um halb fünf in Linz auf und fährt dann gehetzt eine Stunde, um gegen halb sechs das Training zu beginnen. Reizvoller wäre es wohl, in fünf Minuten vom Arbeitsplatz zum Fußballplatz zu kommen oder vor der Arbeit durch schöne Wälder und die Natur zu Joggen und eine Viertelstunde später sich in einer anderen Situation wieder zu finden. Mit dem Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, Klimabewusstsein, Homeoffice, mit diesem Mix kann man von den Lebensformen wegkommen, die das Auto so zentral voraussetzen.
HP: Du hast schon mehrmals die Mobilität als wesentliches Thema erwähnt. In Linz gibt es 211.000 Einwohner und ca. 109.000 Einpendler. Wie interpretierst du dieses Verhältnis?
MF: Ich hatte ein paar Klassiker, mit denen ich manchmal provoziert habe. Ich habe behauptet, dass die Leute Pendeln mögen. Dass man gerne pendelt, weil man gerne dieses Leben und die Zeit dazwischen hat, und diesen Gestaltungsspielraum, dass man ein Leben in der Arbeit hat und ein Leben zuhause, und eines dazwischen. Beim Pendeln kommt dazu, dass das deine eigene Zeit ist. Das ist fürchterlich aus einer ökologischen Perspektive. Gerade mit der ganzen SUV-Kultur: ein Stau ist nicht mehr unbequem, top Board-Entertainment, gute qualitätvolle Umgebung, die Kommunikationsmöglichkeiten sind gegeben, die Leute führen ihre Telefonate. Das Pendeln ist eine Lebensform, die man vielleicht doch nicht loswird. Es sind viele Jobs nicht ersetzbar. Es braucht insgesamt eine radikal andere Infrastruktur, um mehr Jobs mobil zu machen oder zu verlagern. Es sollten auch Jobs in die regionalen Zentren zurückgeholt werden, hier wird man investieren müssen, es reicht nicht, nur Glasfaserkabel zu verlegen, man wird Produktionsmöglichkeiten vorsehen müssen.
HP: Welche Chancen bieten künstlerische, kulturelle Bespielungen, wie das Festival der Regionen, für längerfristige Auswirkungen auf die Entwicklung dieser Gebiete? Glaubst du, dass jetzt, zehn Jahre danach, irgendetwas aufgrund dessen anders geworden ist?
MF: Kirchdorf war ein stolzer Moment, da wurde ich zum 10-jährigen Jubiläum des Freien Radios von jenen eingeladen, die an seiner Gründung während des Festivals beteiligt waren. Dazu kam noch eine Art Integrations-Haus und ein freies Seminar-Zentrum. Lustig war, dass ich ohne Voranmeldung an dem Tag in ein Gasthaus gegangen bin und die zentralen Exponent:innen sind genau an demselben Tisch gesessen. Im Grunde habe ich ohne Vereinbarung alle getroffen. Überall, wo das Festival in der Vergangenheit war, kommt man öfter wieder zurück. Es geht nicht darum, ob das Festival dort was macht, sondern darum, dass es überall in Oberösterreich diese Konstellation mit alternativen Kulturvereinen gibt. Deswegen gibt es das Festival der Regionen, weil es schon seit den 1970er-Jahren eine alternative Kulturszene und Kulturinitiativen im ländlichen Raum gibt, die sich frühzeitig über die KUPF, die Interessensvertretung organisiert hat. Lebenswert bleiben diese Orte, weil es das schon seit 40 Jahren gibt. Weil es diese Netze gibt – inklusive dem, was in Linz an Kulturentwicklung stattgefunden hat – haben viele oberösterreichischen Kulturakteur:innen gute Gründe, immer wieder zurückzukommen, oder vielleicht dort zu bleiben. Sie denken nicht ganz so traumatisiert an ihre Heimatorte zurück, weil sie sich an das Rockfestival erinnern, sie erinnern sich ans Heimatfilmfestival, an das Jazzatelier in Ulrichsberg und Abende im Filmclub oder in der Kapu. Das ist die größte Auswirkung: Dass es ganz andere Erinnerungen und dadurch Rückkehrmöglichkeiten gibt.
MR: Welche Potenziale haben diese künstlerischen Interventionen an ihren jeweiligen Austragungsorten?
MF: Sie verstärken die Kooperation mit Leuten, die vor und nach dem Festival in solchen Orten agieren und damit dafür sorgen, dass sie lebenswert bleiben. Wichtig ist aber: Das machen nicht nur die Kulturveranstaltungen, sondern das machen andere auch. Zum Beispiel im Mühlviertel, Frauentreffpunkte, Agenda 21 Gruppen, lokale Kabarettveranstalter. Man muss schauen, wer sonst noch was macht. Welche anderen Akteur:innen sind am Werk? Ich halte nichts davon, dass man der Kunst eine Sonderrolle zuschreibt. Meistens sind die Leute an drei, vier Dingen parallel dran. Dieses Multitasking sieht man oft, und isoliert bringt das nichts. Wenn es einen Frauentreffpunkt gibt, wenn es eine Kulturinitiative gibt, wo sich jemand in der kommunalen politischen Struktur engagiert, dann wird aus allen diesen Beiträgen der Ort lebendiger.
MR: Eine damit noch verbundene persönliche Frage. Stand es damals im Raum, dass du noch ein viertes Festival der Regionen machst?
MF: Nein. Das war, sowohl von mir aus nicht angestrebt und vom Vorstand nicht angedeutet, wir waren uns sehr einig, dass drei eine gute Zahl ist. Mein Vorgänger hat drei gemacht, der Gottfried Hattinger vier. Es kann keine Lebensaufgabe von einer Person sein. Könnte schon, aber das war beim Festival der Regionen nicht der Stil und ich finde das richtig. In meinem Fall hat es mir auch gefallen, dass ich mit der dritten Ausgabe mit dem Festival nach Linz zurückgekehrt bin. Also, zuerst raus ins oberste Mühlvierte, dann die Phyrnautobahn und über Kirchdorf wieder nach Linz. So war es gut abgeschlossen.
MR: Welche Präsenz hatte damals die Kunstuni Linz? In welchem Verhältnis stand die Kunstuni zum Festival der Regionen und somit zu den Regionen draußen?
MF: Beim ersten Festival der Regionen gab es ganz intensive personelle Verflechtungen, weil das Gründungsmitglied und der langjährige Obmann Rainer Zendron damals Vizerektor war. Es gab Langzeitbeziehungen, auch über die Stadt an die Kunstuni und über Radio FRO, deren Exponent:innen jetzt dorftv machen. Bei meinen Festivals waren mehrere Projekte von Studierenden, es ist immer beliebt, dass sich Studierende an Ausschreibungen beteiligen.
Zur Realität des oberösterreichischen Kulturlebens gehört, dass es beim Festival der Regionen ohne die Linzer Partien nicht gegangen wäre, so gern alle immer die örtliche Bevölkerung, die Kooperationen vor Ort, und die lokalen Akteur:innen betont haben. Ohne die Belebung durch die Linz-Beteiligten, ohne das freie Radio, ohne die Stadtwerkstatts-Umgebung, ohne Kunstuni, ohne das ganze Umfeld geht es doch nicht. Man hat bei den Eröffnungen schon immer auch auf den Bus oder den Zug aus Linz gewartet.
MR: Wer beurteilt Konzepte, ob wirtschaftliche, kulturelle, oder raumplanerische Fragestellungen? Welche Ideen aus der Zivilbevölkerung werden umgesetzt?
MF: Ich bin für fachkundige Expert:innen, ein klassisches Beiratssystem, wobei wir klargestellt haben, dass der Beirat nur ein Beirat ist. Und dass letztendlich die Projektarbeit mit den Leuten durch die Festival-Leitung und den Vorstand beweglicher sein muss. Ein Projekt ist ein aktiver Entwicklungsprozess, den kann man nicht mit einer Jury führen. Wenn im Kern Expert:innen des jeweiligen Feldes eine starke Gruppe bilden, dann kann man vieles an partizipativen Umgebungen dazu bauen. Dann dockt erst die Politik an, die sich nicht im Kern befindet. Es ist manchmal gut, manchmal schlecht, wenn sie dabei sind.
HP: Das Festival der Regionen ist ein Verein?
MF: Ja, 75% Landesfinanzierung. Eine Bundesfinanzierung ist dabei, die hilft sehr. Und wichtig: Keine Pflicht- oder notwendige Finanzierung von den jeweiligen Regionen und Gemeinden.
HP: Man kann sich nicht für das Festival der Regionen bewerben, sondern jemand sucht die Region aus?
MF: Genau. Man kommt aus heiterem Himmel. Aber mit eigenem Budget. Das war sehr hilfreich. Lokalpolitisch ist es wichtig, dass man nicht das Geld wegnimmt, das dann eventuell für etwas anderes fehlt, damit man nicht in einen lokalen Konflikt gerät.
MR: Eine Frage zur Boden- und Klimawandel-Thematik. Würdest du persönlich die Klima-Rahmenkonditionen der Vereinten Nationen unterschreiben, aus 1994, und die daraus resultierenden Notwendigkeiten, die erfolgen sollen?
MF: Da kann ich zu meiner aktuellen Position umschwenken: Auf UNESCO-Ebene ist es ein ganz zentrales Thema, Nachhaltigkeits- und Klimaanpassung. Die Entwicklungsziele sind das Dokument, auf das sich alle anderen beziehen. Alle gesellschaftlichen Bereiche haben eine gemeinsame Agenda. Ich bewege mich im Wissenschaftsbereich, im Bildungsbereich, im Kulturbereich, und im Medien- und Kommunikationsbereich. Die verantwortlichen Leute reden alle dasselbe.
HP: Bei der Frage nach dem Bodenschutz-Gesetz gibt es aktuell aus Oberösterreich ein klares Nein, sich diesem Gesetz anzuschließen.
MF: Die bisherige Modernisierungsvorstellung machte sich oft an Neubauten fest: Es wurde oft gleich gefragt: Was muss man bauen? Jetzt sitzen das Abwanderungsthema und der Leerstand in den Knochen und man fragt grundsätzlicher: Wie macht man Orte lebenswert? Mit Bestandsaktivierung kann man viel machen. Bei der Kulturhauptstadt Bad Ischl haben sie unter anderem deswegen jetzt auf Neubauten verzichtet, um das zu unterstreichen. In der UNESCO-Kommission verfolgen wir die Bestandsdebatte, Themen wie Denkmalschutz, Kulturerhaltung usw. sehr aufmerksam. Das Nicht-Bauen, das Nicht-Abreißen. Es braucht überzeugende Best-Practice-Beispiele.
MR: Im Rahmen der UNESCO, was könnt ihr aus eurer Perspektive zu dem Thema des Klimaschutzes beitragen?
MF: In allen UNESCO-Arbeitsbereichen ist „Vielfalt“ der zentrale Wert. Kulturelle Vielfalt, künstlerische Vielfalt, Vielfalt und Respekt der Herkünfte und Hintergründe. Zugleich braucht es die notwendige Neuverhandlung der globalen Beziehungen. Wir sind eine globale Organisation und das ist ein globales Thema.
MR: In deinem Arbeitsumfeld ist es der Fall, dass du die euro-zentristische und sogar heimat-zentristische Betrachtung aufbrichst und immer wieder zeigen musst, dass es eigentlich ganz viel anderes gibt, weil du von dieser Pluralität gesprochen hast.
MF: Oder die Gemeinsamkeiten. Am Festival der Regionen habe ich einmal in einem Interview gesagt: "Also irgendeine Form gefüllter Teigtaschen gibt es überall."
MR: Martin, zurück zur persönlichen Ebene. Wie viele Quadratmeter hast du in deinem Leben schon versiegelt oder hast daran mitgewirkt?
MF: Ich habe eine 40m2 Wohnung in meinem Elternhaus und das Haus wurde seit 1971 um keinen einzigen Quadratmeter verändert. Ich lebe in einer Mietwohnung, die schon seit mehr als 100 Jahren herumsteht. Fast alle Kunstinterventionen, an denen ich teilgenommen habe, hat man danach abbauen und zurückgeben müssen. Einmal haben wir ein Fundament nicht ausgegraben und prompt habe ich drei Monate später einen Auftrag bekommen, auch das noch zu entfernen. Da ich mich im Kunstbetrieb auf temporäre Interventionen spezialisiert hatte, bin ich versiegelungstechnisch recht unbelastet.
HP: Eine Zukunftsfrage: Wie würden Historiker:innen deine Arbeit in 50 Jahren beschreiben?
MF: Ich habe keine Illusionen über die Position, die man in 50 Jahren in der Kulturgeschichte haben wird. Man wird als einer von Hunderten nicht auftauchen. Oder zufällig mal aIs Fußnote.
MR: Vielen Dank für das Interview.
Martin Fritz ist seit 2022 Generalsekretär der österreichischen UNESCO-Kommission. Er hat Rechtswissenschaften an der Universität Wien studiert. Er ist Kurator, Berater und Publizist mit den Arbeitsschwerpunkten Kontext- und Institutionskunde, ortsspezifische Kunst und Stadt sowie Kulturmanagement, Governance und Kulturpolitik. Unter anderem leitete er von 2004 bis 2009 das Festival der Regionen in Oberösterreich. Er ist Lehrbeauftragter an der Kunstuniversität Linz und seit März 2023 Universitätsrat der Johannes Kepler Universität Linz.
[1] //fdr.at/festival/geordnete-verhaeltnisse/ (2023 11 17)
[2] //fdr.at/festival/fluchtwege-und-sackgassen/ (2023 11 17)
[3] //fdr.at/festival/normalzustand/ (2023 11 17)