Alice Müller
Kollektion 2010
Bachelorarbeit / Bachelorstudium Mode
Die Arbeit setzt sich mit dem öffentlichen sowie dem privaten Raum in der westlich europäischen Kultur auseinander. Dabei liegt das Augenmerk auf dem Verhaltensphänomen in diesen beiden Bereichen, sowohl in persönlichem, als auch sozialem und gesellschaftlichem Kontext.
Ausgehend von einer historischen Betrachtung in Bezug auf den Umgang mit Bekleidung im Öffentlichen, sowie Privaten und der Entwicklung der Öffentlichkeitssphäre, wird der Aspekt der Zurschaustellung und Selbstdarstellung, sowie der Pflicht der Selbstinszenierung in der Öffentlichkeit anhand der Bekleidung bis in heutige Kategorien untersucht. Das Persönlichkeitsprinzip als Folge einer Definition durch die Kleidung und die entstehende Bedeutung sozialer Interaktion im Rahmen eines vestimentären „Glaubhaftigkeitscodes“ (1) stehen hier im Vordergrund.
Die Form der Bekleidung wird anhand ihrer Verortung auf die öffentliche und private Authentizität ihres Ausdrucks, sowie deren Unterschiede bzw. Diversitäten geprüft und behandelt. Somit wird auf das Verhältnis von Persönlichkeit und öffentlichem Handeln eingegangen, wobei hierzu Bereiche und Orte erläutert werden, welche das Verhalten gegenüber Öffentlichkeit und Privat forcieren und auch thematisieren. Die Frage, wo Öffentlichkeit stattfinden darf bzw. wem welche Bereiche zustehen und gestattet sind wird, unter anderem am Beispiel der „gated communities“ behandelt.
Die Frage nach der Wertigkeit und ihrem Verhältnis mit der Verortung der Bekleidung stellt folglich den Hauptfokus der Arbeit dar.
Kollektionskonzept
TRESPASSERS
Die Kollektion stellt eine Auseinandersetzung mit dem privaten Raum und ihm zugeschriebener Bekleidung bzw. Bekleidungselemente dar. Ich gehe konkret auf Kleidungsstücke ein, welche ausschließlich mit dem privaten, persönlichen Bereich konnotiert sind. Diese stehen also nicht mehr in Funktion einer sozialen und vor allem öffentlichen Interaktion. Insofern unterliegt diese Bekleidung gewissen vestimentären, sozial definierten Codes und ist somit nicht mehr für Kommunikation und dem darauf basierenden Verhaltensphänomen zuständig.
Der Titel meiner Arbeit, „Trespassers“, weist auf den Grenzgang meiner Kollektion bzw. der einzelnen Teile hin.
Der Begriff „Trespasser“ bedeutet „Eindringling, Übertreter, Besitzstörer, Unbefugter“ und beschreibt somit das Überschreiten von Grenzen sowie das Eindringen und vor allem das widerrechtliche Betreten unbefugter Bereiche und Räume. Oft wird der Begriff auch im strafrechtlichen Gebrauch eingesetzt: „trespassers will be prosecuted“, d.h. „widerrechtliches Betreten wird strafrechtlich verfolgt“.
Das Ziel der Kollektion liegt nun im Akt und im Versuch des Überschreitens und Eindringens. Durch das Tragen der Kleidungsstücke wird, sobald man den sozialen Raum betritt, eine Schwelle bzw. ein Grenzbereich überquert und gewissermaßen auch aufgehoben. Elemente des privaten Raumes werden in die Öffentlichkeit getragen und übertreten somit eine sozial reale, jedoch unsichtbare Grenze. Man wird folglich zum „Trespasser“. Vestimentär verortete Normen und Konventionen werden gebrochen und modifiziert. Der soziale Raum wird zum Beurteiler und der „Trespasser“ zu einer Irritation, zum Störer und womöglich auch zum Sanktionierten. Er dringt in den öffentlichen Raum ein und bringt Verhaltensstrukturen und -systeme, die über Kleidung funktionieren, durcheinander.